Der Amazonas brennt

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Guten Morgen,

das am Samstag beginnende G-7-Treffen der Staats- und Regierungschefs im französischen Biarritz wird überschattet von den verheerenden Waldbränden in weiten Teilen des Amazonas-Regenwalds. Die Welt erlebt den Triumph der Wirklichkeit über das Wollen.

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Während die Staatenlenker im Luxushotel „Hôtel du Palais“ im Nobelbadeort der französischen Elite tagen, verbrennen edle Tropenhölzer und verkohlen seltene Wildtiere. Der Glaube an eine bessere Welt hat Feuer gefangen.

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Derzeit brennen ausweislich der Satellitenbilder des brasilianischen Raumfahrtforschungszentrums Inpe an rund 71.400 unterschiedlichen Stellen die Wälder. Zwischen 2011 und 2017 wurde bereits ein Waldgebiet geopfert, das fünf Mal der Fläche Deutschlands entspricht. Die Prognose bis zum Jahr 2050 sieht ähnlich düster aus.

Eine Infografik mit dem Titel: Wald: Die große Rodung

Weltweiter Waldverlust 2017, in Quadratkilometern

Die „Großen Sieben“ sind in ihrer Ohnmacht vereint. Was wir in Biarritz erleben werden, ist ein Treffen der Opfer, derweil die Täter nur schwer zu packen sind:

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► Einer von ihnen sitzt im Regierungspalast in Brasiliens Hauptstadt Brasília. Präsident Jair Bolsonaro, der sich selbst „Kapitän Kettensäge“ nennt, hat die Rodung zum Teil seiner politischen Agenda gemacht.

► Die Täter sind aber auch in den Armutsgebieten des Kongos zu finden, wo die Farmer „Fire Days“ veranstalten, um sich neue Anbauflächen als Ersatz für ihre ausgelaugten Böden zu beschaffen.

► Und sie arbeiten für die westlichen Lebensmittelkonzerne, die Produkte der entwaldeten Flächen, vor allem Palmöl und Soja, dankend abnehmen. Mit dem westlichen Wohlstand steigt die Nachfrage.

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Die Welt scheint in Suizidstimmung zu sein. Man könnte meinen, die Menschheit dreht sich mit feierlicher Miene selbst den Sauerstoff ab. Obwohl der Regenwald heute nur noch auf rund sieben Prozent der Erdoberfläche wächst, wird gebrandschatzt, als gäbe es kein Morgen.

► Dabei absorbieren die Regenwälder weltweit rund 30 Prozent des von Menschen verursachten Ausstoßes von Treibhausgasen. Das sind mehr als elf Milliarden Tonnen pro Jahr.

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► Dabei verwandeln Bäume das Klimagift Kohlendioxid (CO2) mithilfe des Sonnenlichts in Sauerstoff: Eine 150 Jahre alte Buche beispielsweise produziert jeden Tag rund 11.000 Liter Sauerstoff. Das entspricht etwa dem Tagesbedarf von 26 Menschen.

► Dabei kommt es durch die Waldbrände zur beschleunigten Erderwärmung. Bei der Verbrennung wird der in der Biomasse gespeicherte Kohlenstoff als CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Mit jedem abgebrannten Hektar tropischen Regenwalds sind es rund 220 Tonnen.Es gibt jedoch Alternativen zur Apokalypse. So rät Bård Harstad, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Oslo und zweimaliger Gewinner des Erik-Kempe-Preises, künftige Handelsabkommen zwischen Industrieländern und Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay und andere) mit dem Erhalt des Regenwaldes zu verknüpfen. Es wäre also ein ökologisch motiviertes Sanktionsregime zu installieren, das in der Nicht-Exportfähigkeit der Sünderstaaten enden kann. Doch die G-7-Gruppe ist noch in der Orientierungsphase: große Ambition, kein Plan. Viel Rauch und mitten drin das Nichts. Gut, dass bereits im Vorfeld des Gipfeltreffens verabredet wurde, auf ein Schlusskommuniqué zu verzichten.

Robin Alexander wird morgen in der Regierungsmaschine mit Kanzlerin Angela Merkel nach Biarritz reisen. Für den Morning Briefing Podcast , in dem der stellvertretende Chefredakteur der "Welt", Sie heute an meiner Stelle begrüßt, hat er mit Wolfgang Ischinger, dem Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, gesprochen.

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Der ehemalige deutsche Botschafter in Washington sieht die G-7-Nationen in einer politischen Krise, aus der es kein schnelles Entrinnen gibt. Seine Kernaussagen:

Die G-7-Gruppe ist in ihrer weltpolitischen Bedeutung schwächer geworden, weil sie demografisch nur noch vielleicht ein Siebtel oder ein Achtel der Welt und keineswegs etwa die Mehrheit der Weltökonomie repräsentiert.

Auch politisch haben sie eigentlich nicht mehr das Sagen. Wenn weder China, Indien, Brasilien noch Russland am Tisch sitzen, dann ist der Westen unter sich. Aber der Westen ist nicht mehr einig. Das ist eine traurige Bilanz und lässt nicht auf großartige Ergebnisse hoffen.

Fazit: Wir sind teilnehmende Beobachter einer Welt auf Wanderschaft.

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Märchenstunde beim „Spiegel“? Die kommissarische SPD-Führung wehrt sich mit großer Vehemenz gegen die Behauptung des Magazins, es habe eine gemeinsame Telefonkonferenz zwischen den Interims-Vorsitzenden Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig (Foto, von links) mit Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz gegeben, in der er seine Kandidatur annonciert habe. Mit dieser Meldung suggerierte der „Spiegel“, Scholz sei der Kandidat des Parteivorstandes und man habe im Vorfeld der Nominierung gekungelt. Aber:

Diese Telefonkonferenz hat es nie gegeben!

sagte Schäfer-Gümbel unmittelbar nach der exklusiven Meldung.

Er hat mit seiner Darstellung recht

bestätigte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin in der heutigen Ausgabe des „Handelsblatts“. Der „Spiegel“ bleibt bei seiner Darstellung, möchte oder kann aber keine Beweise vorlegen. Vielleicht liegt ja die Raffinesse des künftigen „Spiegel“-Geschäftsmodells in der innovativen Mischung von Dichtung und Wahrheit. Denn womöglich tut sich hier eine echte Marktlücke auf: Zwischen den Gattungen Märchenbuch und Nachrichtenmagazin wäre der neue „Spiegel“ eine Art drittes Geschlecht.

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Der Opportunismus-Vorwurf des chinesischen Dissidenten und Aktionskünstlers Ai Weiwei hat gesessen. Viele Hörer und Hörerinnen des Morning Briefing Podcast wünschten sich eine deutsche Übersetzung dieses auf Englisch geführten Interviews. Die ohrenbetäubende Stille der deutschen Regierung hat sie empört. In der heutigen Ausgabe der Tageszeitung „Welt“ wird der Wortlaut des Gesprächs nachgeliefert.

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Die Deutschen haben einen neuen Volkssport: Sie laufen von der SPD weg. Die Partei von Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (Foto) kommt laut Umfrageinstitut Infratest dimap in Sachsen, wo kommende Woche Sonntag gewählt wird, auf nur noch sieben Prozent – und wäre damit der Fünf-Prozent-Hürde gefährlich nahe.

 © SPD

So stellt die SPD sich also die Leistungsträger im Lande vor, deren oberen 10 Prozent für 50 Prozent der Staatsfinanzierung aufkommen: cool und faul. Der Strom kommt aus der Steckdose – und das Geld wird per Fließband angeliefert. Es gibt viele Wege, die Finanziers des Sozialstaates zu verhöhnen. Die SPD kennt sie alle. Oder um es mit Kurt Tucholsky zu sagen: „Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.“

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Start in diesen neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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