GroKo: Mehr Eisbären, weniger Habeck

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Guten Morgen,

würde allein die Angst vor der Klimakatastrophe zur Reduktion von CO2 führen, wäre Deutschland heute Morgen klimaneutral. Doch die Wechselwirkung zwischen Angst und Abgas scheint komplexer, weshalb als Zwischenprodukt dieser Kettenreaktion bisher nur der Aufstieg der Grünen zu vermelden ist. Davon profitieren auch die beiden Vorsitzenden. Das Newtonsche Gesetz des Parteienstaates lautet: Rutscht der Eisbär von der Scholle, sitzen Robert Habeck und Annalena Baerbock plötzlich obenauf.

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Das wiederum ist für die indigenen Völker des Parteienstaates, also die Stämme von CDU, CSU und SPD nicht akzeptabel, weshalb man seit dem gestrigen Abend bis in den heutigen Morgen hinein im Bundeskanzleramt tagt. Koalitionsausschuss ist in diesem Fall nur ein anderes Wort für Kriegsrat. Mehr Eisbären, weniger Habeck, so der großkoalitionäre Schlachtplan.

Die deutschen Privathaushalte und Unternehmen, das zeichnet sich heute Morgen ab, werden für ihre apokalyptischen Gefühle teuer zahlen müssen. Die Beschlüsse der Großen Koalition sind noch nicht endgültig, weitreichend dürften sie auf jeden Fall sein:

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► Die Koalition plant, den Ausstoß von CO2 in Deutschland bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dafür will man „klimafördernde Maßnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe“ auf den Weg bringen. Begünstigte und Geschröpfte schauen im Spiegel einander ins Gesicht.

► Union und SPD wollen die Deutschen von der Straße fernhalten. Um den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen, ist eine Senkung der Mehrwertsteuer für Fernverkehrstickets von 19 auf sieben Prozent vorgesehen. Vorschlag: Angesichts der schon heute überlasteten Züge sollte jeder einzelne Sitzplatz nach dem Vorbild der SPD-Kandidatenkür nur noch an Paare vergeben. Wer auf wessen Schoß sitzt, das entscheidet am besten der Schaffner.

ICE-Züge der Deutschen Bahn © dpa

► Wenn schon Auto, dann elektrisch: Die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge soll erhöht werden – vor allem für kleinere Wagen, die bis zu 30.000 Euro kosten. Wer aufgrund fehlender Ladeinfrastruktur liegen bleibt, bekommt rabattierten Zugang zur Senator-Card des ADAC-Abschleppdienstes.

► Eine Abwrackprämie für Ölheizungen gilt als sicher. Wer noch klimafreundlicher wohnen will, sollte von Öl und Gas auf Wärmflasche und Heizdecke umsteigen. Ehrgeizige Klimaschützer gehen weiter: Nur Frieren ist klimaneutral.

► Unternehmen könnten künftig durch Abwärmenutzungsverordnung zur effizienten Verwendung anfallender Abwärme verpflichtet werden. Experten wissen warum: Das Einatmen der bereits verbrauchten Luft verspricht die größten Effekte.

Energiesteuerliche Vergünstigungen erhält im produzierenden Gewerbe nur, wer eine „klimarelevante Gegenleistung“ erbringt, heißt es in dem Regierungsdokument, das aktuell verhandelt wird. Als konsequenteste Maßnahme empfiehlt sich die Demontage der Produktionsanlagen. Auch wenn sich das so keiner vorzuschlagen traut: Nur De-Industrialisierung garantiert einen perfekten Klimaschutz.

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► 2030 sollen erneuerbare Energien einen 65-Prozent-Anteil am Bruttostromverbrauch leisten – das Vorhaben ist eine „zentrale Maßnahme zur Erreichung des Sektorziels Energiewirtschaft“. Die Plankommissare der DDR wären stolz auf diese Formulierung gewesen.

► Im Sektor Landwirtschaft soll der Ausbau ökologisch bewirtschafteter Flächen vorangetrieben werden. In der Tierhaltung sind Emissionsminderungen vorgesehen. Bei Kühen, Schweinen und Pferden soll demnach der Ausstoß von körpereigenem Kohlendioxid streng reguliert werden. Mit der Überwachung wird – aufgrund der europäischen Dimension des tierischen Abgasproblems – am besten die Europäische Zentralbank beauftragt.

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► Verbraucher könnte der Klimaschutz im Bereich des Flugverkehrs treffen. Wie die „Welt“ berichtet, denkt die Regierung über eine höhere Luftverkehrssteuer nach, nicht nur für Inlandsflüge, sondern auch für die Distanzklasse 1, also für Flüge innerhalb Europas. Vielleicht sollte die deutsche Mobilitätsgesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes umsatteln. Womöglich steht die Renaissance des Pferdegespanns bevor.

► Das große Geld aber kommt zusammen, wenn sich die Große Koalition endlich aufrafft, eine saftige CO2-Steuer in Höhe von mindestens 30 Euro je Tonne CO2 zu erheben. Damit würden nach Berechnungen von Union Investment allein die Dax-Unternehmen 5,2 Milliarden Euro zusätzlich zahlen. Der Vorteil: Die Rezession, auf die man in Deutschland so sehnsüchtig wartet, lässt sich damit beschleunigen.

Für ein Fazit ist es heute Morgen noch zu früh. Im Laufe des Tages soll das Ergebnis des Verhandlungsmarathons nach einer Sitzung des Klimakabinetts der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Wir erwarten nichts Geringeres als den Durchbruch.

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Während die Große Koalition weiterverhandelt, dürften heute Hunderttausende am dritten globalen Klima-Streik teilnehmen. Anlass ist der anstehende UN-Klimagipfel in New York. In mehr als 500 Orten sind hierzulande Proteste geplant. Die Aktivisten von „Fridays for Future“ (FFF) werden dabei erstmals von über 200 Organisationen, Initiativen und anderen Gruppen unterstützt.

Auch der Autobauer Daimler bereitet sich auf Aktionen der Klimaschützer vor. Das belegen E-Mails, die die Konzernsicherheit an Führungskräfte in deutschen Daimler-Standorten verschickt hat. Die Manager wurden angehalten, „Notfallpläne“ zu erarbeiten, wie der „Spiegel“ berichtet. In den Dokumenten heißt es:

Aus Bremen wurde uns aktuell bekannt, dass es im Zusammenhang mit den offiziellen FFF-Demonstrationen auch Hinweise in den sozialen Medien gibt, dass es eventuell bereits am kommenden Freitag zu direkten Störungen bei den ,Verursachern des Übels' kommen kann.

Gestreikt wird heute auch in Tübingen, wo der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer regiert. Mit ihm hat mein Kollege Robin Alexander für den Morning Briefing Podcast gesprochen. Anlässlich seines neuen Buches „Erst die Fakten, dann die Moral” fragte Alexander, wie es mit der Rationalität der Klimademonstranten aussieht: Regieren hier noch die Fakten? Oder erleben wir den Aufstand der Emotion?

Auch Palmer ist sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht ganz sicher:

Ich habe viele faktenstarke Reden gehört, es gibt ja auch Wissenschaftler-Gruppen, die da mitwirken. Aber ich lese mittlerweile auch Aufrufe, die verlassen die Faktenbasis und versuchen, die Vorstellung von einer Ratsgesellschaft, die Parlamente überwacht, zu etablieren und das kapitalistische System zu überwinden.

Eine der Gefahren sei die Radikalisierung der Klimaschutzbewegung:

Da kommen jetzt auch linke Sektierer dazu, die ihre moralische Weltsicht über die Fakten stellen. Dagegen muss die Bewegung sich wappnen.

Mit Blick auf den Klimawandel und die von der Bundesregierung diskutierten Maßnahmen bleibt Palmer skeptisch:

Wir müssten unsere komplette Energieversorgung umstellen, den Verbrauch fossiler Energieträger auf null bringen. Gemessen daran sind auch 40 Milliarden Euro, die überwiegend in kleinteilige Förderungen fließen, keine Lösung.

Über den Klimawandel und die Proteste spricht Robin Alexander im Morning Briefing Podcast auch mit einem Mann, der sich der „Scientists for Future“-Bewegung, einem FFF-Ableger für Wissenschaftler, angeschlossen hat: dem Moderator und Arzt Eckart von Hirschhausen. Er sagt:

Es geht beim Klimawandel nicht nur um Eisbären und Bangladesch. Es geht um Menschen.

Mutter Erde hat Fieber. Das darf die Gesundheitsberufe nicht kaltlassen: Alle unsere teuren Bemühungen im Gesundheitswesen machen nur Sinn, wenn die Grundlage für die Gesundheit gewährleistet ist.

Hirschhausens Ausführungen, darauf spricht Alexander ihn ebenfalls an, appellieren an die Emotionen, wissenschaftlich klingen sie nicht:

Ein Problem der Wissenschaft ist, dass die Abstraktionsebene, auf der lange Jahre diskutiert wurde, tatsächlich keine Emotionalität und deswegen auch kein Handeln ausgelöst hat.

Eine Infografik mit dem Titel: Privatbankengeschäft: Auf dem Weg in die Verlustzone

Ergebnisentwicklung deutscher Banken im Privatkundengeschäft, in Milliarden Euro

Das Privatkundengeschäft ist der Kern vom Kern der deutschen Finanzindustrie. Der Nachteil: Zumindest mit den Anlagen des „kleinen Mannes“ machen Geldhäuser immer weniger Rendite.

Die ohnehin schwindend geringen Gewinne werden sich in den kommenden Jahren auflösen. Die durch die Negativzinsen ausgelöste Zangenbewegung dürfte sogar für Verluste sorgen. Zu dieser bitteren Prognose kommt eine Studie der Unternehmensberatung zeb, die sich auf den Finanzsektor spezialisiert hat. Deren Szenario:

► Von 2010 bis 2018 sind die Gesamterträge von 55 Milliarden Euro auf 49,1 Milliarden gefallen. Bis 2022 sollen die Erträge weiter auf nur noch 46,6 Milliarden Euro schrumpfen.

► Die Null- und Minuszinsen der EZB drücken vor allem auf die Erträge aus dem Einlagengeschäft der Banken. Während 2018 hier noch 6,6 Milliarden Euro eingenommen wurden, könnten 2023 nur noch 1,6 Milliarden in der Kasse bleiben.

► Während die Erträge sinken, steigen die Kosten – seit 2014 um 6,71 Prozent auf 49,3 Milliarden Euro in 2023. Hinzu kommen erhöhte Risikokosten, die 2023 bei 2,8 Milliarden Euro liegen könnten.

Eine Infografik mit dem Titel: Europa schrumpft...

Marktkapitalisierung ausgewählter europäischer Banken, in Milliarden Euro

Fazit: Das Geldgewerbe befindet sich im Umbruch. Es bedarf neuer Ideen, damit daraus kein Durchbruch nach unten wird. Ein unternehmerisches Weiter-So ist mutmaßlich nicht konservativ, sondern tödlich.

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Das Reich der Mitte rückt vom Westen ab. Den Handelskrieg zwischen US-Präsident Donald Trump und China bekommt nun das zweitwertvollste Unternehmen der Welt zu spüren: Wie aus einer Kundenbefragung des amerikanischen Beratungsunternehmens Prophet unter 13.500 chinesischen Verbrauchern hervorgeht, ist Apple in diesem Jahr nur noch auf Platz 24 der beliebtesten Marken zu finden.

Apple war – alles andere würde in China überraschen – nie die beliebteste Marke, erreichte im vergangenen Jahr aber immerhin noch den elften Platz. 2017 war der iPhone-Konzern, wie „Bloomberg“ schreibt, mit Platz fünf sogar dem Siegertreppchen nahe. Auf den ersten beiden Plätzen finden sich in diesem Jahr die chinesischen Unternehmen Huawei und der Bezahldienst Alipay. „Wir können auch anders“, hieß vor Jahren ein chinesischer Bestseller, der an das Selbstbewusstsein der heimischen Konsumgesellschaft appellierte. Dieser Buchtitel ist nun in die Wirklichkeit gesprungen.

Ich wünsche Ihnen einen gut gelaunten Start in das Wochenende.

Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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