Migration

Was die SPD von Dänemark lernen kann

Kaare Dybvad Bek
27.06.2025
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Seit das Thema Migration in den 1990er Jahren auf die nationalen politischen Tagesordnungen gerückt ist, haben die Progressiven in ganz Europa Schwierigkeiten, damit umzugehen.

Die Politik der Aufnahme einer de facto unbegrenzten Zahl von Migranten und Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und Nordafrika hat viele Mitte-Links-Parteien zu einem Schatten ihrer selbst werden lassen. Arbeiterviertel und ungelernte Arbeitskräfte müssen zusehen, wie sie die Neuankömmlinge in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integrieren.

Während einige sozialdemokratische Parteien in den nordischen Ländern, auf der Iberischen Halbinsel und im deutschsprachigen Europa immer noch eine beträchtliche Macht in den nationalen Parlamenten haben, sind sie in vielen Ländern eine gefährdete Spezies.

What Social Democrats can learn from Denmark

The European asylum system is fundamentally broken, writes Danish minister Kaare Dybvad Bek.

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Veröffentlicht von Kaare Dybvad Bek.

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In Frankreich und den Niederlanden, wo die Parti Socialiste und die niederländische Arbeiterpartei lange die Innenpolitik beherrschten, ist es heute unmöglich, für eine unabhängige sozialdemokratische Liste für das nationale Parlament zu stimmen. Kein Thema hat einen größeren Anteil an dieser Entwicklung als die Migrationspolitik.

Dennoch sollte eine Änderung der Migrationspolitik nicht auf wahltaktischen Erwägungen beruhen, sondern auf einer aufrichtigen Sorge um die Arbeiterklasse, die die progressiven Parteien begründet und die europäischen Gesellschaften zum Besseren verändert hat.

Nicht in Starnberg oder Charlottenburg spüren die Menschen die Auswirkungen und Probleme im Zusammenhang mit der Migration, in diesen Gegenden ist die Migration eine Gelegenheit für billigere Reinigung, billigere Verkehrsmittel und gutes Essen zu niedrigen Preisen.

In Gelsenkirchen oder Duisburg hingegen müssen die Arbeiterviertel die Aufgabe bewältigen, die Menschen zu integrieren, die mit anderen Normen und einer anderen Kultur ankommen, mit all den lokalen Alltagskonflikten, die sich aus den Unterschieden ergeben.

Sie werden mit lokalen Diskussionen darüber konfrontiert, welches Essen in den Schulen serviert werden kann, ob Kinder nach Geschlechtern getrennt werden müssen oder ob die Regeln der Gesellschaft gebogen werden sollten, um religiösen Anliegen gerecht zu werden.

Die Angehörigen der Arbeiterklasse sehen, wie ihr relatives Einkommen sinkt, da der Wettbewerb bei gering qualifizierten Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor härter wird.

Zusätzlich zu den konkreten Herausforderungen, mit denen die Arbeiterklasse konfrontiert ist, ist es in vielen Ländern verpönt, wenn sich Bürgermeister oder Abgeordnete gegen die ständig wachsende Zahl von Neuankömmlingen aussprechen.

Viele Mitglieder der kulturellen Elite, die in sicheren Vierteln leben und deren Kinder Schulen besuchen, in denen ausschließlich ethnische Europäer unterrichtet werden, halten es für ihr gutes Recht, sich über ihre Mitbürger lustig zu machen, die sich über Integrationsprobleme beschweren.

Duisburger Stadtteil Marxloh © Imago

Es braucht europäische Lösungen

Während einige Länder nationale Maßnahmen ergriffen haben, die den Druck auf die Arbeiterviertel erheblich verringern, sollten langfristige und nachhaltige Lösungen auf europäischer Ebene beschlossen werden.

Es steht nicht nur humanitär, sondern auch politisch, kulturell und existenziell viel auf dem Spiel. Wenn es uns nicht gelingt, die Migration wieder in den Griff zu bekommen, werden sich die Folgen nicht nur an unseren Grenzen bemerkbar machen. Sie werden sich auf unsere Demokratien, unsere Institutionen und unsere Fähigkeit zu kollektivem Handeln auswirken.

Wir stehen vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits müssen wir die moralische Verpflichtung Europas einhalten, denjenigen zu helfen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen.

Wir müssen den Entwicklungsländern Priorität einräumen und mehr in sie investieren, nicht zuletzt in Afrika, um jungen Menschen, die unter dem Druck einer schwachen Wirtschaft oder des Klimawandels aufwachsen, echte Lebenschancen zu bieten.

Andererseits müssen wir das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherstellen, dass die Migration auf faire, legale und kontrollierbare Weise erfolgt. Dies ist kein einfaches Gleichgewicht – aber wenn wir es nicht finden, werden sich die politische Polarisierung und die demokratische Fragmentierung, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, nur noch vertiefen.

Um voranzukommen, müssen wir zunächst zwei grundlegende Wahrheiten akzeptieren.

Die erste ist, dass Mitgefühl das Herzstück des europäischen Projekts ist. Es ist unsere historische Aufgabe als Kontinent, Menschen zu helfen, die vor Gewalt, Diktatur und Verzweiflung fliehen.

Die zweite ist, dass das derzeitige europäische Migrations- und Asylsystem grundlegend fehlerhaft ist. Es wurde für eine andere Zeit konzipiert, mit geringeren Mengen und einer anderen Dynamik.

Wir nehmen selten die Menschen auf, die am meisten Schutz brauchen, sondern eher die relativ stärkeren Wirtschaftsmigranten, wie die drei größten Gruppen, die dieses Jahr auf Lampedusa ankamen, nämlich Bangladescher, Pakistaner und Ägypter. Sie kommen aus friedlichen Ländern in der Hoffnung auf wirtschaftliche Chancen und nicht auf der Flucht vor Krieg und persönlicher Verfolgung.

Eine Kontrolle der Zahlen ist unerlässlich. Abgelehnte Asylbewerber – vor allem solche ohne Schutzgründe – müssen schnell und sicher zurückgeführt werden.

Das derzeitige Asylsystem belohnt diejenigen, die Schmuggler bezahlen und die gefährliche Reise überleben können, während die am meisten gefährdeten Personen in Lagern in Jordanien oder Ruanda festsitzen. Zwischen 2016 und 2023 sind mehr als 20.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken oder verschwunden.

Das Asylsystem ist von Grund auf kaputt und unmenschlich. Es ist der einzige Grund für die milliardenschwere Schlepperindustrie, die Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat und die lokalen Gemeinden rund um das Mittelmeer destabilisiert.

Bootsflüchtlinge in Lampedusa © Imago

Der Weg nach vorn: Kontrolle und Mitgefühl

Wir müssen in der Europäischen Gemeinschaft zwei Schritte unternehmen.

Erstens müssen wir die Kontrolle darüber zurückgewinnen, wer nach Europa kommt. Das bedeutet, dass wir legale Wege für Bedürftige schaffen, Partnerschaften mit sicheren Drittstaaten für die Asylbearbeitung aufbauen und Rückführungszentren einrichten, in denen Menschen ohne Bleiberecht in Würde auf ihre Rückkehr warten können.

Zweitens: Europa muss in langfristige Lösungen investieren. Das bedeutet, dass eine transformative Entwicklungsstrategie für Afrika – Europas nächstem und jüngstem Nachbarn – auf den Weg gebracht werden muss.

In Anlehnung an den Marshall-Plan der Nachkriegszeit sollte diese Initiative Bildung, grüne Infrastruktur und Klimaresistenz fördern. Das Ziel ist einfach: Die Menschen sollen gar nicht erst gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen.

Der Weg zu einem funktionierenden Asylsystem ist nicht einfach, schon gar nicht für Progressive. Der Gang nach Canossa ist lang und steinig.

Dennoch müssen wir uns um unsere Gemeinden kümmern, indem wir auf europäischer Ebene auf eine Kontrolle der Migration drängen. Wenn wir nicht handeln, könnte die Ära der Sozialdemokratie sehr bald durch Rechtspopulismus ersetzt werden.

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