Kiew und Moskau starten Treffen
Ein Durchbruch für eine Waffenruhe ist bei den Gesprächen von Moskau und Kiew nicht zu erwarten.
Knapp dreieinhalb Jahre nach der russischen Invasion in die Ukraine wollen Vertreter beider Länder heute in Istanbul ihre zuletzt stockenden direkten Gespräche fortsetzen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Erwartungen an die neue Verhandlungsrunde allerdings bereits gedämpft. Seinen Angaben nach wird es auch diesmal nicht um eine Waffenruhe gehen, sondern unter anderem um einen Gefangenenaustausch. Derweil gingen in der Ukraine am Abend Hunderte Menschen auf die Straße, die um die Unabhängigkeit der Korruptionsermittler im Land fürchten.
Am Abend hatte Selenskyj ein Gesetz unterzeichnet, das Befugnisse der beiden Antikorruptionsbehörden NABU und SAP beschneidet – und ihnen nach Einschätzung der Opposition Unabhängigkeit nimmt. Der Chef des Nationalen Antikorruptionsbüros, Semen Krywonos, warnte, das zuvor vom Parlament verabschiedete Gesetz gefährde den angestrebten Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union.
Ein Sprecher der EU-Kommission zeigte sich besorgt über die Entwicklungen. Am Abend demonstrierten Medien zufolge Tausende Menschen in Kiew, Lwiw (Lemberg), Odessa und Dnipro. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparency International zählt die Ukraine zu einem der korruptesten Länder Europas.
Zu den Gesprächen in Istanbul sagte Selenskyj, vorrangig für Kiew sei die Ausweitung des Gefangenenaustausches und die Rückholung von Kindern, die Russland aus den besetzten Gebieten verschleppt habe. Außerdem solle das Treffen der Vorbereitung eines Gipfels zwischen ihm und Kremlchef Wladimir Putin dienen. Nur auf Ebene der Staatschefs könne eine Waffenruhe ausgehandelt werden. Der Kreml hatte ein solches Treffen nicht ausgeschlossen, fordert allerdings vorab eine Einigung auf einen Friedensplan.
In seiner Videobotschaft, die er erst in der Nacht auf der Plattform X veröffentlichte, sagte Selenskyj: «Die Aufgabe ist es, auf einen Waffenstillstand hinzuarbeiten. Das ist es, worauf die ganze Welt Russland drängt. Ein Treffen auf Ebene der Staatschefs würde auch einen Frieden näherbringen.»
Die russische Delegation wird erneut von Präsidentenberater und Ex-Kulturminister Wladimir Medinski angeführt. Chefunterhändler auf ukrainischer Seite bleibt auch nach seinem Rücktritt als Verteidigungsminister Rustem Umjerow. Selenskyj hatte ihn zum Sekretär des nationalen Sicherheitsrats ernannt und mit der Aufstellung der neuen Delegation beauftragt.
Es ist bereits die dritte Runde direkter Gespräche zwischen den Kriegsparteien seit Mai. Zuvor hatte es seit 2022 keine Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew gegeben. Bei den bisherigen Treffen im Mai und Juni haben die Unterhändler einen großen Austausch von Kriegsgefangenen vereinbart. Freigekommen sind dabei zuletzt junge Soldaten im Alter unter 25 Jahren und schwer verwundete Kämpfer.
Für einen Frieden ist Russland bislang von seinen Maximalforderungen nicht abgerückt, dazu zählen der Verzicht der Ukraine auf den Nato-Beitritt und der vollständige Rückzug Kiewer Truppen aus den von Moskau annektierten Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Bereits 2014 hatte Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. Das Land führt seit mehr als drei Jahren einen zerstörerischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Auch die USA plädieren für direkte Gespräche. «Wir ermutigen weiter zu direkten Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine, um eine umfassende Waffenruhe und eine eventuelle Friedenslösung auf dem Verhandlungswege zu erreichen», sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce.