Speeddating der politischen Prominenz: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat zu ihrer Jahresveranstaltung nach Berlin geladen. Es kamen Kanzler, Vizekanzler und drei Minister.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger © dpaDas Motto laut BDA-Präsident Rainer Dulger:
Deutschland kann mehr.
Die 18 wichtigsten und relevantesten Momente:
Die heimliche Liebeserklärung: BDA-Chef Dulger an Katherina Reiche. Die Wirtschaftsministerin sei „mutig“, spreche richtige Themen an. Reiche sei zu Fuß zum Veranstaltungsort gekommen. Dulger:
Frau Reiche, bleiben Sie standhaft.
Die mutmachende Replik: findet Reiche sofort. Man dürfe sich bei der Reformagenda nicht am „kleinsten gemeinsamen Nenner“ ausrichten. Sondern, so Reiche:
Reformen müssen sich an Unternehmern ausrichten, die sich ins Risiko stellen.
Die innovativste Forderung: kommt von Reiche zum „einzementierten“ Arbeitsmarkt. Deutschland brauche mehr Mobilität zwischen Jobs. Einen hohen Beschäftigungsschutz sollte es nur für „Menschen mit niedrigen Löhnen“ geben. Im Klartext heißt das wohl: Bei höher qualifizierten Arbeitnehmern sollte hire-and-fire möglich sein.
Der eindringlichste Appell: Dass die Deutschen den Unternehmen mehr zutrauen sollten. Reiche spricht von „ethischen Leitplanken“, die es gebe. Deutschland brauche „mehr Vertrauen in Unternehmen, dass sie sich rechtstreu verhalten.“
Das klarste Bekenntnis: „Wir sind Standortpatrioten“, sagte Dulger. „Es ärgert mich, wenn man uns mangelnden Standortpatriotismus vorwirft.“ Kein Unternehmer sei stolz darauf, „dass andere Länder an uns vorbeiziehen“.
Johannes Winkel, Chef der Jungen Union © dpaDer größte Applaus: bekam Johannes Winkel, als er nach seinem Schlusswort zur Rente von der Bühne ging. „Wenn die Rechnung 120 Milliarden Euro über dem Koalitionsvertrag liegt, dann darf man auch mal was sagen.“
Die süffisanteste Verteidigungsrede: „Glauben Sie nicht, was Sie manchmal lesen über die deutsche Sozialdemokratie“, sagt Vizekanzler Lars Klingbeil. „Wir sind eine Partei, die die Zukunft umarmt.“
Die kleine Enttäuschung: „Bevor wir ‘one-in, two-out‘ machen, sollten wir mal mit ‘one-in, one-out’ anfangen“, sagte Digitalminister Karsten Wildberger.
Die große Enttäuschung: Dass Estland kein echtes Vorbild ist. Wildberger: „Die haben ein System, das sehr zentralisiert ist.“ Und weiter:
Wir sind die Aktenordner am anderen Spektrum.
Die größte Spannung: hat Arbeitsministerin Bärbel Bas zu verantworten. Und sie lieferte ab. Zur Rente sagte sie: „Das ist ein Gesamtpaket und dazu stehe ich komplett.“ Und weiter:
Ich erwarte, dass diese Vertragstreue für alle gilt.
Das große Kopfschütteln: hat auch Bas ausgelöst. Die Rentenreform würde „aus Steuern“ finanziert. „Wir belasten damit nicht die Beiträge.“ Das Publikum murrte, denn: Geld kostet es ja trotzdem.
Arbeitsministerin Bärbel Bas beim Arbeitgebertag in Berlin © dpaDer empörendste Satz: „Im Gegensatz zu Ihnen habe ich immer auch die andere Seite im Blick“, sagt Arbeitsministerin Bas zum Arbeitgeber-Publikum gerichtet.
Die größte Unbekannte: Es gebe viele Unternehmen mit hohen Gewinnen, aber wenig Beschäftigten. Es gebe noch „sehr viel interessantes Potenzial“. Was meint Bas damit? Höhere Steuern?
Der spannendste Einblick: „Lohnnebenkosten sind Lohnzusatzkosten“, sagte Unternehmer Arndt Kirchhoff. Seine Mitarbeiter „sehen das“, sagte er. Sie wünschten sich „mehr Netto vom Brutto“. Bas nickt.
Der provokanteste Vorschlag: kam von Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Um den Sozialstaat zu refomieren, müsste an „der ein oder anderen Stelle“ den Menschen auch mal gesagt werden:
Ihr kriegt nicht mehr so viel Leistung wie vorher.
Der aufgeladene Kanzler: Friedrich Merz sprach zur Wirtschaft – und hielt eine staatstragende Rede. „Wir sind Zeitzeugen einer tektonischen Verschiebung“, sagt er. Die Worte haben wohl auch Strategie: Die Generation erlebe einen „Epochenbruch“. Und deshalb:
Wenn wir uns in dieser Welt behaupten wollen, dann geht es um mehr als 48 Prozent Haltelinie.
Die kurze Rechtfertigung: Deutschland sei „kein Schnellboot“, sondern „ein Dickschiff“. Einen Tanker „fährt man nicht in wenigen Tagen um 180 Grad in die andere Richtung“, sagte der Kanzler.
Kanzler Friedrich Merz © dpaDas große Versprechen: Vermittlung werde in Zukunft wichtiger sein als der Verbleib im Transfersystem. Ein neues Gesetz werde die Grundsicherung noch in diesem Jahr neu regeln.
Dann ist das Bürgergeld Geschichte.
Fazit: Beim Arbeitgebertag 2025 trafen Minister aufeinander, die erkennbar unterschiedliche Visionen von der Zukunft des Landes haben. Sie reden von großen Reformen, aber meinen alle etwas anderes.