Grenzen dicht: Innerhalb von weniger als 24 Stunden hat der neue Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Bundespolizei mündlich angewiesen, Migranten an der deutschen Grenze zurückzuweisen, die nicht über eine Einreiseerlaubnis verfügen – auch dann, wenn sie um Asyl bitten.
Abkehr von Merkel: Dobrindt widerrief schriftlich eine mündliche Anweisung des ehemaligen Innenministers unter Merkel Thomas de Maizière (CDU) aus dem Jahr 2015. Bislang galt demnach die Regelung, dass „Drittstaatsangehörigen ohne aufenthaltslegitimierende Dokumente und mit Vorbringen eines Asylbegehrens die Einreise zu gestatten“ sei.
Grenzkontrolle an der deutschen Außengrenze in Bayern. © imagoBundespolizisten verdoppelt: Zuvor hatte Dobrindt auch das Kontingent an Polizisten an den deutschen Außengrenzen verdoppelt. Gewerkschafter der Polizei hatten bereits vor einer Überlastung gewarnt.
Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass Zurückweisungen von Asylgesuchen „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ vorgenommen werden sollen. Unklar ist jedoch, ob diese „Abstimmung“ lediglich eine Benachrichtigung oder aber ein Einverständnis der Nachbarländer erfordert.
Notstand oder nicht Notstand: Was Dobrindt nun durchsetzt, könnte im Konflikt mit EU-Recht stehen. Zwar berufen sich CDU und CSU auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Er erlaubt Abweichungen vom Gemeinsamen europäischen Asylsystem – etwa im Fall eines nationalen Notstands. Doch ob ein solcher vorliegt, ist umstritten.
Die Zahl der Asylanträge sei jedenfalls gesunken, bestätigt die Stiftung Wissenschaft und Politik. Die EU-Kommission will den Vorgang auf Anfrage nicht kommentieren. Dass Brüssel den Schritt registriert, ist jedoch unausweichlich.
Risse im Grenzwall: Luxemburg, Österreich und Polen haben Dobrindts Vorstoß deutlich zurückgewiesen. Eine pauschale Zurückweisung, warnen sie, sei rechtlich nicht zulässig. Vor allem Polen, wo Kanzler Merz am Donnerstag zum Antrittsbesuch erwartet wird und wo bald Wahlen stattfinden, dürfte Klartext reden.
Das österreichische Innenministerium verweist auf Anfrage auf ein Statement, nach dem „unionsrechtswidrige Einreiseverweigerungen seitens der deutschen Behörden nicht zu akzeptieren und über Wahrnehmungen unverzüglich Bericht zu erstatten“ sei.
Das politische Momentum ist damit doppeldeutig: Dobrindt erfüllt ein zentrales Versprechen der neuen Regierung – und schafft zugleich ein europarechtliches Vakuum. Was heute wie ein innenpolitischer Befreiungsschlag wirkt, könnte schon morgen ein Fall für den Europäischen Gerichtshof werden.