Frank Puscher: Macht die Arbeit Spaß?
Paul Horlacher: Sehr. Ich kam als begeisterter Leser und Hörer und fand die Idee des Geschäftsmodells faszinierend. Heute empfinde ich es als Privileg, Teil davon zu sein und an seinem Erfolg mitzuarbeiten. Inhaltlich wie menschlich ist es eine spannende Aufgabe – wir haben enorm viel erreicht in den letzten Jahren.
Bedeutet konkret?
Seit Gründung beträgt das durchschnittliche Wachstum von The Pioneer 40 Prozent jedes Jahr. Zwei Drittel unserer Umsätze stammen aus dem Journalismus. Ein Drittel aus Experiences (Events, Konferenzen, Expeditionen und Produktionen für andere Firmen). Wir erwirtschaften heute eine Umsatzrendite, wie sie keines der etablierten Medienhäuser mehr hervorbringt: von einer Million Umsatz bleiben bei uns 200.000 Euro in der Kasse. Das ergibt eine EBITDA Marge von 20 Prozent.
Wird euer Modell der Werbefreiheit eigentlich intern hinterfragt?
Natürlich gibt es immer wieder Diskussionen und Notfallpläne. Aber wir mussten sie nie umsetzen, denn das Unternehmen ist inzwischen im dritten Jahr profitabel – dank unseres Abo-Modells. Fast 75.000 zahlende „Pioneers“ sichern unsere Erlöse. Für mich ist das ein großes Privileg.
Der Medienmarkt leidet aktuell unter rückläufigen Werbebudgets. Wie seht ihr das? Alles richtig gemacht?
Natürlich sehen wir die Entwicklungen. Viele Verlage klagen über sinkende Erlöse. Für uns ist es ein Vorteil, dass wir nicht vom klassischen Werbemodell abhängig sind. Auf einer Konferenz in New York hieß es dieses Jahr mehrfach „Search is dead“ – genau darauf beruht ja das alte Modell: Klicks generieren, um Anzeigenplätze zu verkaufen. Wir müssen keinen Content nur für Traffic produzieren. Stattdessen können wir uns auf hochwertigen Journalismus konzentrieren, ohne den Druck, Reichweite um jeden Preis zu schaffen. Diese Unabhängigkeit ist ein echter Wettbewerbsvorteil.
Der Ansatz Community Building – wie sehr hängt das an der Person Gabor Steingart?
Seine Strahlkraft war und ist enorm, klar. Aber heute identifizieren sich viele Mitglieder mit der Marke selbst. Sie sagen: „Ich bin Pioneer der ersten Stunde“ oder „Lifetime-Pioneer“. Diese Identifikation geht über Gabor hinaus. Von Beginn an hatten wir die Strategie einer „All-Star-Band“: Persönlichkeiten mit eigener Glaubwürdigkeit in ihrem Themenfeld. Sie bringen ihre Marke auf unsere Plattform. Beispiele sind Sigmar Gabriel mit dem World Briefing, Diana Kinnert, Jörg Thadeusz oder Autorinnen wie Juli Zeh. Und wir bauen aus eigener Kraft Journalisten und Journalistinnen zu Medienmarken auf – wie Chelsea Spieker, Alev Doğan, Karina Moessbauer und in 2026 Luisa Nuhr.
Alev Doğan und Chelsea Spieker auf der Celebrating-Democracy-Tour, 20.11.2025 © Gregor ZielkeAber besteht nicht das Risiko, dass ein Chefredakteur das Unternehmen verlässt und Konkurrenz aufbaut?
Oder beide Chefredakteure. Natürlich. Das lässt sich vertraglich nur bedingt absichern. Trotzdem glaube ich, dass die Chancen überwiegen: Menschen folgen Menschen. Social Media und die Creator Economy zeigen genau das. Erfolgreiche Medienmarken brauchen identifizierbare Gesichter. Dass viele Leser gar nicht wissen, wer bei FAZ oder SZ hinter Artikeln steht, ist für diese Häuser eher ein Problem.
Ist das ein Wandel im Selbstverständnis des Journalismus? Viele sagen ja: Journalisten sollten hinter ihrer Geschichte zurücktreten, nicht wie Influencer auftreten.
Es geht nicht um Selbstdarstellung. Aber starke Journalisten hatten schon immer eine öffentliche Präsenz – ob Augstein, Nannen oder Giovanni di Lorenzo. Sie stehen für Themen, haben ein klares Profil und wirken über ihr eigenes Medium hinaus. Das ist kein Widerspruch zum Journalismus, sondern stärkt ihn.
Plant ihr journalistisch neue Formate?
Ja, aktuell vier neue Formate für 2026, zwei Podcast-Formate, eine Hörspielserie und ein Bewegtbildformat. Grundsätzlich verfolgen wir das Prinzip Fewer but Better: Kommt ein neues Produkt, muss ein altes weichen. Wir wollen die Nutzer nicht mit Masse überfordern, sondern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft klar und fokussiert bleiben.
Pioneer-CEO Paul Horlacher auf der Pioneer Two © Gregor ZielkeAuf eurer Website wirkt das sehr reduziert im Vergleich zu klassischen Verlagsseiten. Absicht?
Ja. Diese Klarheit ist bewusst gewählt. Statt Überladung setzen wir auf bekannte Gesichter und starke Personenmarken. Daran arbeiten wir kontinuierlich – auch mit neuen Köpfen, die wir künftig präsentieren werden.
Ihr seid inzwischen über 100 Mitarbeiter. Wo liegen die Wachstumsschmerzen?
Jede Phase bringt neue Anforderungen: Bei 30 Leuten sind die Strukturen andere als bei 70 oder 100. Man braucht zusätzliche Führungsebenen. Das führt auch zu Fluktuation. Aber der Wachstumspfad ist noch lange nicht beendet.
Was ist die Zielgröße?
Reichweite, Relevanz und Revenue auf Augenhöhe mit den großen Verlagshäusern. Konkreter: Rund 150.000 Abonnenten in absehbarer Zeit – das wäre ein Meilenstein, auf den wir stolz sein könnten.
Ihr nennt euch bewusst nicht Verlagshaus?
Genau. Wir verstehen uns als „Medienunternehmen neuen Typs“. Verlag klingt nach Legacy. Wir wollen bewusst ein anderes Selbstverständnis zeigen.
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