Frankreichs Premierminister François Bayrou hat in der Nationalversammlung die Vertrauensfrage gestellt – und wie erwartet verloren. Damit verschärft sich die politische Krise des Landes. Staatspräsident Emmanuel Macron muss nun möglichst rasch einen Nachfolger ernennen.
Das Ergebnis: 280 Stimmen wären nötig gewesen, um im Amt zu bleiben – Bayrou brachte es nur auf 194 Stimmen. 364 Abgeordnete stimmten gegen ihn.
Bayrou ist erst seit nicht einmal neun Monaten im Amt, seine Regierungskoalition verfügt im Parlament jedoch über keine Mehrheit mehr. Mit der Vertrauensfrage wollte er Rückhalt für die Sparpläne seiner Regierung gewinnen. Die Opposition hatte schon im Vorfeld angekündigt, ihm das Vertrauen zu entziehen.
Hintergrund: Frankreich ringt mit einem hohen Haushaltsdefizit. Zuletzt lag es bei 5,8 Prozent – weit entfernt vom europäischen Grenzwert von 3 Prozent. Der Schuldenstand beträgt rund 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ist damit nach Griechenland und Italien der dritthöchste im Euroraum.
Bayrous Plan: Im Mitte Juli vorgelegten Haushaltsentwurf sind Einsparungen von 43,8 Milliarden Euro vorgesehen. Das Defizit soll von voraussichtlich 5,4 Prozent der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr bis 2026 auf 4,6 Prozent sinken.
Vor der Nationalversammlung warb Bayrou um Unterstützung – und scheiterte. © ImagoVorgesehen sind Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen in Höhe von 44 Milliarden Euro, darunter die Streichung von zwei Feiertagen (Ostermontag und 8. Mai), eine Solidaritätsabgabe für Gutverdiener, der Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst, die Kürzung von Sozialausgaben sowie das Einfrieren von Beamtengehältern und Pensionen.
Kritik und Proteste: Kaum vorgestellt, stieß das Sparpaket auf heftigen Widerstand. Unter dem Motto „Bloquons tout“ („Blockieren wir alles“) sind für Mittwoch landesweite Blockaden mit bis zu 100.000 Teilnehmenden angekündigt. Für den 18. September haben Gewerkschaften zudem zu Streiks aufgerufen.
Auch die Oppositionsparteien verweigerten Bayrou geschlossen die Unterstützung: Weder das rechtsnationale Lager um Marine Le Pen noch Sozialisten, Grüne, Kommunisten oder die Linkspartei ließen sich überzeugen. Die Sozialisten hatten einen Gegenentwurf vorgelegt, der eine Reduzierung des Staatsdefizits um rund 22 Milliarden Euro vorsieht. Sie setzen auf höhere Steuern und weniger auf Einsparungen.
Macron und Bayrou: Ein Nachfolger muss her. © ImagoWie es weitergeht: Bayrou muss nun bei Präsident Macron seinen Rücktritt einreichen. Macron wiederum muss einen neuen Premierminister ernennen. Sein eigenes Amt ist davon nicht betroffen. Der neue Regierungschef schlägt anschließend ein Kabinett vor, das Macron bestätigen muss.
Doch ein Kandidat, der die politischen Lager einen könnte, ist bislang nicht erkennbar. Bayrou ist bereits der zweite Premier, der von der Opposition gestürzt wurde – die Instabilität dürfte weiter zunehmen.
Eine Infografik mit dem Titel: Ungute Annäherung
Entwicklung der Anleiherenditen italienischer und französischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit, Werte in Prozent
Reaktion der Märkte: Die politische Unsicherheit verstärkt die Sorgen der Finanzmärkte. Seit Macrons überraschender Ankündigung von Neuwahlen im Juni 2024 verlor der französische Leitindex CAC 40 rund 4,1 Prozent, der gesamteuropäische Stoxx Europe 600 knapp fünf Prozent.
Der deutsche DAX hingegen legte im selben Zeitraum um 24 Prozent zu. Die Zahlen verdeutlichen, wie sehr Frankreichs Schuldenlage und die politische Krise das Vertrauen belasten. Der Sturz der Regierung Bayrou könnte die Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Landes noch verstärken.