Herr Roth, Wie bewerten Sie die Abspaltungsdrohungen des bosnisch-serbischen Präsident Milorad Dodik?
Roth: Milorad Dodik provoziert und überschreitet ständig rote Linien. Es wäre allerdings verkürzt, sich bei der Beurteilung der verfahrenen Lage in Bosnien-Herzegowina allein auf Dodik zu fokussieren. Viele Vertreterinnen und Vertreter der politischen Elite des Landes haben sich in einem dysfunktionalen, nicht zukunftsfähigen System wohlig eingerichtet.
In Ihrer Zeit als Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt haben Sie sich viel mit dem Westbalkan befasst, erst kürzlich waren Sie erneut vor Ort. Was ist Ihr Eindruck?
Roth: Die gesamte Reformmaschinerie ist weitgehend zum Stillstand gekommen. Die Menschen stimmen mit den Füßen ab und verlassen in Scharen das Land, viele kommen nach Deutschland.
Eine Parade zum "Nationalfeiertag": Bosnische Serben ziehen am 9. Januar durch Banja Luka im serbischen Landesteil von Bosnien-Herzegowina. Die verbotene Parade befeuert die Abspaltungsbestrebungen. © Imago
Trägt die EU eine Mitverantwortung?
Roth: Die EU hat in der Region massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Wir halten Zusagen nicht ein. Die Visa-Liberalisierung für den Kosovo kommt nicht voran. Und der Beitrittsprozess von Nordmazedonien und Albanien stockt aufgrund der Zerstrittenheit der EU-Partner.
Die US-Regierung hat jetzt Wirtschaftssanktionen gegen Dodik und eine ihm nahestehende TV-Station verhängt. Sollte auch die EU Sanktionen erlassen?