Man muss schon tief drin stecken in den Wirtschaftswissenschaften, um die Namen der Ökonomen zu kennen: Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt bekommen den diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaft.
Auf den ersten Blick sind die Thesen ihrer Forschungsarbeit wenig überraschend: Wirtschaftswachstum ergibt sich aus der Folge von kreativer Schöpfung und Zerstörung. Joseph Schumpeter lässt grüßen.
Dennoch könnten die Arbeiten der Ökonomen aktueller kaum sein. Vor allem für Deutschland. Das Land steckt in einer strukturellen Krise. Pioneer-Chefökonom Lars Feld wiederholte am Wochenende im Podcast seine Sorge:
Die Hütte brennt.
Aus den drei Ausgezeichneten Mokyr (bekommt die eine Hälfte des Preises), Aghion mit Howitt (je ein Viertel) lassen sich drei Thesen für Deutschland ableiten:
#1 Mehr Neugier für Neues
Ifo-Präsident Clemens Fuest lobte das Trio. Er sagt: Deutschland befinde sich in einer Krise. Eine Rückkehr zu Wachstum erfordere „mehr Offenheit für Neues“, insbesondere Weiterbildung, Innovationen und Unternehmensgründungen.
Nur so sei zu erreichen, „dass neue Wertschöpfung entsteht“.
Was das konkret heißt: Deutschland muss mehr investieren in Bildung und Forschung. Und vor allem: Nur mit Start-ups gelingt die Transformation von Wissenschaft in Markterfolg. Die Bundesregierung wäre gut beraten, einen Gründungsboom auszurufen.
#2 Industriepolitik ja, aber bitte richtig
Kreative Zerstörung entsteht durch Wettbewerb. Aber der Franzose Aghion, der in Paris und London lehrt, hält auch staatliche Lenkung für sinnvoll. Europa könne von den USA und China lernen, sagte er bei der Auszeichnung.
Europa habe den Fokus auf Wettbewerbspolitik gelegt. „Wir sind Anti geworden mit Blick auf Industriepolitik“, sagte er laut Reuters bei der Pressekonferenz.
Ich glaube, wir müssen das weiterentwickeln.
Ziel sei es, Wege zu finden, Wettbewerbs- und Industriepolitik miteinander zu versöhnen, vor allem „in Gebieten wie Verteidigung, Klima, KI und Biotech“.
#3 Innovationen ermöglichen – und zwar schnell
Dass Wachstum aus Innovationen erzeugt wird, ist keine Überraschung. Dass künstliche Barrieren einen Marktzugang etwa von jungen Firmen verhindern können, auch nicht. Aber was folgt daraus?
In ihrem Aghion-Hewitt-Modell haben die Wissenschaftler 1992 nachgewiesen, dass solche Barrieren das Tempo der Innovationen reduzieren und damit auch die kreative Zerstörung.
Und damit sind wir bei Deutschland – und Europa.
Beispiel Künstliche Intelligenz: Der EU AI Act teilt KI-Systeme in vier Risikoklassen ein: inakzeptables Risiko, hohes Risiko, begrenztes Risiko und minimales Risiko.
China und die USA gehen einen anderen Weg. Sie lassen Risiko zu. Derzeit laufen die Europäer den Großmächten in Sachen KI hinterher.
Fazit: Die kreative Zerstörung braucht mehr als den Investitionsbooster der Bundesregierung. Der Wissenschaft und jungen Gründern muss alles untergeordnet werden.