Ja im zweiten Anlauf: Der Bundestag hat drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht gewählt. Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz gab bekannt, dass Kandidatinnen Sigrid Emmenegger und Ann-Katrin Kaufhold sowie Kandidat Günter Spinner in geheimer Wahl jeweils die notwendige Zweidrittelmehrheit der 613 abgegebenen Stimmen erreichten.
Für diese neuen Verfassungsrichter geht es nach Karlsruhe:
Sigrid Emmenegger
SPD-Verfassungsrichterkandidatin Sigrid Emmenegger © dpaGewählt mit 446 Ja-Stimmen – 161 Abgeordnete stimmten gegen die Juristin.
Auf ihrer Kandidatur lag wohl das meiste Augenmerk. Die 48-jährige Emmenegger wurde Anfang September nach der zurückgezogenen Wahl von Frauke Brosius-Gerstorf vorgeschlagen. Emmenegger arbeitet seit 2021 als Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und geht als SPD-Kandidatin ins Rennen.
Die Richterin bringt eine langjährige juristische Laufbahn mit: Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht und promovierte unter Betreuung des ehemaligen Bundesverfassungsrichter Andreas Voßkuhle. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Brosius-Gersdorf hat sie sich bislang nur wenig zu öffentlich umstrittenen Themen geäußert.
Erst am Montag wurde Emmenegger vom Bundestags-Wahlausschuss offiziell als Richter-Kandidatin am Bundesverfassungsgericht nominiert.
Ann-Katrin Kaufhold
Rechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold © LMU MünchenGewählt mit 440 Ja-Stimmen.
Ebenfalls von der SPD aufgestellt ist Ann-Kathrin Kaufhold. Die 49-jährige Rechtswissenschaftlerin lehrt seit 2016 Staats- und Verwaltungsrecht an der LMU München. Auch sie gilt als Schülerin von Andreas Voßkuhle, mit dem sie ein Lehrbuch zum Staatsorganisationsrecht herausgab. Der Öffentlichkeit erstmals bekannt wurde sie 2021, als sie im Klimaschutz-Verfahren den Bundestag vertrat.
Ihre Nominierung blieb weitgehend ohne Kritik, nur einzelne Unionsabgeordnete fragten wegen ihrer Mitarbeit in einer Berliner Kommission zu Enteignungen nach. Die AfD versucht, daraus Vorwürfe zu konstruieren. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger betont jedoch den klaren Rückhalt für Kaufhold.
Günter Spinner
Richter Günter Spinner © dpaGewählt mit 424 Ja-Stimmen.
Der 53-jährige Günter Spinner sitzt seit 2011 als Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt und geht als Kandidat der Union ins Rennen. Er gilt als fachlich versierter und menschlich umgänglicher Richter und genießt in Fachkreisen hohes Ansehen. Das beweist auch die Kandidatenliste der Karlsruher Verfassungsrichter: Spinner stand dort auf Platz eins.
Da sich der Wahlausschuss des Bundestages nicht rechtzeitig auf einen Nachfolger für den scheidenden Richter Josef Christ einigen konnte, griff nämlich das gesetzliche Verfahren: eine Liste mit geeigneten Anwärtern durch das Bundesverfassungsgericht selbst.
Rückblick: Die Union sorgte für geplatzte Richterwahl
Der erste Anlauf zur Richterwahl am Bundesverfassungsgericht scheiterte kurz vor der Sommerpause. Grund war, dass die Union ihre zuvor zugesagte Zustimmung für die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zurückzog. Damit wurde die Abstimmung im Bundestag in letzter Minute abgesetzt.
Brosius-Gersdorf wurde wegen ihrer liberalen Haltung zu Abtreibungen stark kritisiert und in den sozialen Netzwerken beschimpft. Anfang August verzichtete sie schließlich auf ihre Kandidatur.
Die SPD nominierte daraufhin die Juristin Sigrid Emmenegger. Der Vorgang führte zu erheblichen Spannungen innerhalb der Koalition. Unionsfraktionschef Jens Spahn kündigte inzwischen an, seine Fraktion werde die SPD-Kandidatinnen unterstützen.
Unionsfraktionschef Jens Spahn © ImagoRichterwahl rückt ins Rampenlicht
Der Abbruch der Richterwahl im Juli 2025 war ein Novum: Noch nie zuvor war eine Wahl am Bundesverfassungsgericht so kurzfristig gescheitert. Dementsprechend stand das Verfahren selten derart im medialen Fokus. Üblicherweise verlaufen Richterwahlen in Karlsruhe eher geräuschlos und finden in der Öffentlichkeit wenig Beachtung.