„Die Versicherer rechnen ihre Kundinnen und Kunden zu alt“ – so lautet ein wiederkehrendes Vorurteil. Auch bei The Pioneer war es vor kurzem ähnlich zu lesen. Die Botschaft dahinter: Nur wer lange lebt, hat was von der Vorsorge. Klingt nach Skandal.
Aber was ist dran? Tatsächlich steckt hinter der Kritik eine viel größere Herausforderung. Denn unser Rentensystem steht durch den demographischen Wandel vor enormen Herausforderungen.
Die wahre Frage lautet: Wie finanzieren wir ein immer längeres Leben – gerecht, verlässlich und solidarisch?
Länger leben: eine Erfolgsgeschichte mit Herausforderungen
Tatsache ist: Die Lebenserwartung in Deutschland hat sich in den letzten 150 Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 1880 lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 41 Jahren für Männer und 44 Jahren für Frauen. Als die gesetzliche Rentenversicherung rund zehn Jahre später eingeführt wurde, war es eher unwahrscheinlich überhaupt in den Genuss einer Rente zu kommen: Nur rund ein Drittel der Menschen erreichte das damalige Renteneintrittsalter von 70 Jahren. “Die Rente ist sicher” wäre damals also kein hoffnungsvolles Wahlkampfversprechen gewesen – es war bloß nicht so wahrscheinlich, dass man sie erreichte.
Heute können mehr als 90 Prozent der Menschen ihren 67. Geburtstag feiern – und haben dann noch rund 20 Rentenjahre vor sich. Für Neugeborene prognostiziert das Statistische Bundesamt das stolze Alter von durchschnittlich 93 Jahren für Frauen beziehungsweise 90 Jahren für Männer. Tendenz weiter steigend.
Diese für den einzelnen erfreuliche Entwicklung hat eine Kehrseite: Sie macht die Altersvorsorge zur gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Je älter wir werden, desto mehr Rente muss ausgezahlt werden. Wie stellen wir also sicher, dass die Menschen nicht nur lange, sondern auch finanziell gut abgesichert leben?
Altersvorsorge: Ein System an der Belastungsgrenze
Die Politik hat diese zentrale, aber offensichtlich wenig beliebte Frage seit langem verschleppt. Dringend nötige Reformen lassen auf sich warten. Dabei ist vielen Menschen längst klar, dass das Rentensystem so wie es ist, den Lebensstandard im Alter nicht erhalten kann.
Das ist ein Problem, nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Eine Umfrage mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des GDV zeigt: Besonders am Rande des politischen Spektrums ist der Pessimismus mit Blick auf die eigene Absicherung im Alter besonders groß. Die enorme Sprengkraft des Themas wird politisch aber nach wie vor unterschätzt.
Immerhin: Viele Menschen sorgen schon heute privat vor. Lebensversicherungen haben sich als verlässliches Instrument in der Altersvorsorge bewährt. Ihr Vorteil ist die garantierte lebenslange Rente.
Genau in dieser lebenslangen Leistung liegt die große Attraktivität von Versicherungsprodukten. Denn: Wer nicht weiß, wie alt er wird, weiß auch nicht, wie lange sein Geld reichen muss. Und das ist das Kernproblem: Der Einzelne kann das Risiko, länger zu leben, als das Ersparte reicht, nicht selbst absichern. Lebensversicherungen schon.
Lebenslange Auszahlung: Warum Versicherer vorsichtig kalkulieren
Wer eine Rentenversicherung abschließt, bekommt eine lebenslange monatliche Zahlung. Egal ob er 78, 88 oder 102 wird. Damit Versicherer dieses Versprechen halten können, müssen sie vorsichtig kalkulieren. Das schützt Kundinnen und Kunden. Denn die Versicherer können – anders als der Staat – keine Steuertöpfe anzapfen, wenn es eng wird. Die Annahmen über die Lebenserwartung sind daher konservativ. Sie basieren auf wissenschaftlichen Sterbetafeln und überprüften Trendannahmen.
Und ja: Wer heute in Rente geht, wird im Schnitt älter als noch vor 30 Jahren. Das ist schlichte Statistik.
Hinzu kommt: Wie sich die Lebenserwartung weiter entwickeln wird, lässt sich immer schwieriger vorhersagen. Einerseits könnten Risiken wie Klimawandel, resistente Keime oder Umweltfaktoren den Anstieg dämpfen, andererseits könnten Faktoren, wie der medizinische Fortschritt, neue Technologien - etwa in Form von technologischen Hilfsmitteln für ältere Menschen - und ein gesunder Lebensstil die Lebenserwartung weiter ansteigen lassen.
Die Versicherer erbringen in diesem Spannungsfeld die Balance zwischen vorsichtiger Kalkulation und Kundenfokus. Eine Auswertung von 23 Tarifen zeigt: Eine 66-jährige Frau, die 50.000 Euro in eine Rentenversicherung einzahlt, erhält durchschnittlich eine garantierte Rente von 159 Euro. Mit Überschüssen steigt dieser Wert binnen 21 Jahren um 51 Prozent auf 238 Euro. Danach ist das Anfangskapital mit 87 Jahren vollständig ausgezahlt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt laut Statistik darüber, die Versicherung zahlt weiter.
Viel Kritik, die zu lesen ist, hält also einem Faktencheck kaum stand. Richtig ist: Falls jemand nicht das Glück hat, ein hohes Lebensalter zu erreichen, ist die Auszahldauer naturgemäß kürzer. Das ist eben Teil des Prinzips - die Beiträge aller fließen zusammen, um Risiken – im Falle der Altersvorsorge das Risiko, länger zu leben als das eigene Vermögen reichen würde - abzusichern. Und: wenn die Versicherten nicht so alt werden, wie von den Lebensversicherern kalkuliert, fließt das Geld zu etwa 95 Prozent zurück ans Versichertenkollektiv - in Form von Überschussbeteiligungen.
Mehr Mut bitte: Es braucht Ehrlichkeit und tragfähige Reformen
Unser Rentensystem wie es heute ist, steht unter Druck. Seit 2001 wurde das Rentenniveau von damals 53 Prozent schrittweise abgesenkt. Heute liegt es bei 48 Prozent – und daran soll sich laut Koalitionsvertrag nichts ändern. Gute Nachrichten für die, die heute in Rente gehen oder es schon sind.
Die Rechnung dafür zahlen aber die jüngeren Generationen – und müssen selbst verstärkt zusätzlich vorsorgen. Es ist daher zentral, dass die neue Bundesregierung das Alterssicherungssystem zukunftsfest und generationengerecht aufstellt. Dazu zählt ein Renteneintrittsalter, das sich an der steigenden Lebenserwartung orientiert sowie eine kluge Lastenteilung auf alle drei Säulen der Alterssicherung.
Die Lebensversicherung spielt eine tragende Rolle in der Alterssicherung. Mit mehr als 84 Millionen Verträgen, davon mehr als 46 Millionen Rentenversicherungen, leistet sie einen entscheidenden Beitrag, damit Menschen im Alter abgesichert sind. Darunter die betriebliche Altersversorgung mit heute 16,5 Millionen Verträgen und die geförderte private Altersvorsorge, die großes Potenzial bieten.
Die steigenden Belastungen der gesetzlichen Rente müssen mit einer Stärkung der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge einhergehen. Reformen sollten das berücksichtigen – der Koalitionsvertrag sendet erste positive Signale, nun kommt es auf die Ausgestaltung an. Es braucht eine differenzierte Debatte über die richtige Balance zwischen Sicherheit, Rendite und Fairness.
Klar ist: Lebensversicherungen und andere private Altersvorsorgeprodukte leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilität im Alter – und damit auch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Finanzielle Absicherung im Alter ist kein Luxus, sie ist ein Muss – für alle. Damit das lange Leben nicht zum finanziellen Risiko wird.
Dieser Text stammt von unserem Pioneer-Expert Jörg Asmussen. Möchten auch Sie Ihre Expertise einbringen? Hier erklären wir, wie Sie ein Pioneer-Expert werden können.
Hinweis: Der Beitrag von Jörg Asmussen ist gemäß des Leitmottos von The Pioneer „Wahrheit gibt es nur zu zweien“ eine Replik auf den Artikel „Streit um die Lebenserwartung“ von Philipp Heinrich, Wirtschaftsjournalist bei The Pioneer. Hier geht es zum Text: