Peter Henschel
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Wirtschaftsstandort Deutschland

Das Wachstumshemmnis sitzt im Klassenzimmer

Nicht der Kinder- oder Gründermangel ist das Problem, sondern das Mindset dahinter. Wer Unternehmertum aus Schulbüchern verbannt, erzieht Risikoaversion – und schwächt Wirtschaft und Demokratie zugleich. Ein Gastbeitrag.
Maren Jasper-Winter
13.12.2025
© imago
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Wenn eine amtierende sozialdemokratische Arbeitsministerin den Klassenkampf gegen die Arbeitgeber dieses Landes ausruft, dann ist das mehr als ein politischer Fauxpas. Es ist das Zutagetreten eines tief sitzendes Misstrauen gegenüber denen, die Jobs schaffen, Risiken tragen und Innovation finanzieren.

Wenn solches Denken auf einem Juso-Kongress beklatscht wird, ist das besorgniserregend. Weitaus gravierender ist jedoch: Wir bringen diese Sichtweise unseren Kindern bereits in der Schule bei – ganz systematisch.

Verbände-Brandbrief gegen Bärbel Bas

15 Wirtschaftsverbände üben scharfe Kritik an Arbeitsministerin Bärbel Bas.

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Veröffentlicht von Nils Heisterhagen.

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Ein verzerrtes Wirtschaftsbild: Was Schulbücher verschweigen

Die 2024 veröffentlichte Analyse der Friedrich-Naumann-Stiftung hat 40 Schulbücher ausgewertet. Das Ergebnis ist ein wirtschaftspolitischer Offenbarungseid: Unternehmer tauchen fast nicht auf.

Und wenn sie auftauchen, dann als Versinnbildlichung von Fehlentwicklungen. Der Staat ist dauerhafter Problemlöser, Marktmechanismen bleiben blinde Flecken. Innovation kommt praktisch nicht vor.

Eine Infografik mit dem Titel: Gründerinnen und Gründer im europäischen Vergleich

Verteilung von Start-up-Gründern in ausgewählten europäischen Ländern nach Geschlecht, in Prozent

Weibliche Gründerinnen fehlen vollständig. Es kommt nicht eine einzige positive Gründerin als Role Model vor – in einem Land, das händeringend Tech-Talente und Gründerinnen sucht. Es ist, als würde man Wirtschaft nur rückwärts und ohne Farben unterrichten.

Das passt nicht zu einem Standort, der Innovationsführerschaft beansprucht. Es passt eher zu einem Standort, der Angst vor Veränderung hat.

Die ganze Analyse lesen Sie hier:

Analyse Marktwirtschaft und Unternehmertum in Schulbüchern

Schüler im Unterricht © dpa

Lehrkräfte und Schüler sind weiter als das System

Die Studie der Stiftung Familienunternehmen (2025) zeigt ein ganz anderes Bild. Über 80 % der Wirtschaftslehrkräfte sagen: Unternehmertum gehört ins Kerncurriculum. Familienunternehmen genießen großes Vertrauen: verlässlich, langfristig, werteorientiert.

Schülerinnen und Schüler reagieren positiv, sobald Unterricht Wirtschaft verständlich, konkret und praxisnah macht.

Kurz gesagt: Lehrkräfte wollen, Schüler können – aber das System blockiert. Deutschland bremst sich nicht nur materiell aus, sondern mental.

Hier geht es zur ganzen Studie:

Studie Das Unternehmerbild im Lehrerzimmer

Das eigentliche Standortproblem heißt Mindset

Wir diskutieren über Bürokratieabbau, Steuern, Migration, Energiepreise. Richtig. Aber viel zu selten diskutieren wir darüber, was mindestens genauso wichtig ist: Das Mindset, mit dem die nächste Generation in dieses Land hineinwächst.

Ein Bildungssystem, das Unternehmertum als Elitenprojekt oder Problem darstellt, produziert keine Gründer, keine Erfinder, keine Innovatoren. Es produziert Risikoaversion und Abhängigkeit.

Ein Land kann nicht innovativ sein, wenn seine Schulen seinen Kindern die Idee austreiben, dass sie selbst gestalten können.

Best Practice in die Schulen

Was jetzt passieren muss? Wir sollten Entrepreneurship Education einführen und gleichzeitig finanzielle Bildung anschaulich vermitteln. Nicht als Wahlmodul, nicht als Projektwoche, sondern als Kernbestandteil ökonomischer Grundbildung.

Wir sollten Unternehmerinnen und Unternehmer realistisch darstellen. Sie schaffen Arbeitsplätze, tragen Verantwortung, investieren eigenes Kapital. Es ist fahrlässig, sie aus Schulbüchern zu streichen oder ausschließlich negativ zu zeigen.

Maren Jasper-Winter, Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung. © FDP Berlin

Lasst uns Unternehmerinnen sichtbar machen. Die Abwesenheit weiblicher Role Models in Schulmaterialien ist nicht nur ein pädagogisches Versäumnis – es ist ein ökonomisches Risiko. Wir verschenken die Hälfte unseres Talents.

Wir sollten strukturiert Praxis in die Schule holen. Ein Gespräch mit einer Startup-Gründerin erklärt mehr als 20 Seiten Lehrbuch. Wir brauchen Kooperationen, Mentoringformate, Schülerfirmen, Wettbewerbe. Es gibt genügend Best Practices – wir müssen sie nur zulassen und strukturell unterstützen.

Warum das die Demokratie stärkt

Wir brauche eine strukturelle Unterstützung der Schulen über das Einzelengagement von großartigen und besonders engagierten Lehrkräften hinaus. Es darf nicht vom Zufall abhängen, ob junge Menschen in der Schule diese Begegnungen haben.

Diese Maßnahme ist nicht nur ökonomisch gut und eröffnet dem Einzelnen Perspektiven, sondern ist auch für unsere demokratische Gemeinschaft relevant. Demokratie lebt nicht von Passivität.

Sie lebt davon, dass Menschen glauben: Mein Handeln zählt. Unternehmerisches Denken ist die säkulare Form dieses demokratischen Grundvertrauens: Ich kann gestalten. Ich kann etwas ändern. Ich muss nicht warten, bis der Staat es tut.

„Zu viel Staat und Bürokratie lähmt die Menschen“

Digitalminister Dr. Karsten Wildberger im Gespräch mit Dagmar Rosenfeld

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Veröffentlicht in The Pioneer Briefing Business Class Edition von Dagmar Rosenfeld.

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The Pioneer Briefing

Mut lernen – oder scheitern lernen

Wenn wir jungen Menschen Entrepreneurship austreiben, treiben wir ihnen zugleich Selbstwirksamkeit aus. Und eine Demokratie ohne selbstwirksame Bürger ist schwach – egal wie stark ihre Institutionen aussehen. Deutschland wird nicht an zu wenig Regeln scheitern. Deutschland wird an zu wenig Mut scheitern.

Wir müssen unseren Kindern wieder zutrauen, dass sie Lösungen finden können, dass sie Chancen erkennen dürfen, dass sie scheitern und wieder aufstehen können. Ein realistisches, modernes, positives Unternehmerbild ist kein Nice-to-have. Es ist ein Fundament für wirtschaftliche Stärke – und für demokratische Stabilität.

Maren Jasper-Winter (Jahrgang 1977) ist Mitglied des FDP Bundesvorstands und Mitglied im Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung. Sie arbeitet bei dem Lausitzer Energieunternehmen LEAG und leitet die in Berlin ansässige Politikabteilung.-Zuvor war sie von 2016 bis 2023 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Mit ihrem Mann und den beiden Kindern lebt sie in Berlin-Mitte.

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