Koalition

Bürgergeld adé: Die Selbstkorrektur der SPD

Das Bürgergeld hat den sozialen Zusammenhalt nicht gestärkt, sondern untergraben – und wird deshalb jetzt durch eine Grundsicherung ersetzt. Damit findet die SPD den Weg zurück zu ihren Wählern.
Dagmar Rosenfeld
Heute
© Bärbel Bas und Lars Klingbeil
© Bärbel Bas und Lars Klingbeil

Der Geist des Bürgergelds sei ein Geist der Ermutigung und Befähigung, er leiste einen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und deshalb sei die Einführung des Bürgergeldes „eine der größeren Sozialreformen seit 20 Jahren“. Diese Worte von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, gesprochen im Bundestag im Oktober 2022, haben sich als der wohl größte sozialdemokratische Irrtum der vergangenen 20 Jahre erwiesen.

Das Bürgergeld hat den sozialen Zusammenhalt eben nicht gestärkt, sondern untergraben. Denn mit der Ausgestaltung dieser Sozialleistung ist der Unterschied zwischen denen, die arbeiten und denen, die staatliche Leistungen beziehen, marginalisiert worden.

Die SPD wollte mit dem Bürgergeld heilen, was Hartz IV mit der Parteiseele angerichtet hatte, wollte die tiefen Risse im Selbstbild als umsorgende Sozialstaatspartei kitten. Was die SPD in ihrer Selbstbezogenheit allerdings übersah: Ihre Wähler hatten die Hartz-Reformen längst als das anerkannt, was sie waren: Ein Erfolg für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.

Nun hat die SPD sich selbst korrigiert. Das Bürgergeld ist Geschichte und wird durch eine Grundsicherung ersetzt, so hat es der schwarz-rote Koalitionsausschuss in der Nacht zu Donnerstag beschlossen. Diese Grundsicherung beinhaltet nicht nur die Rückkehr zum Vorrang der Vermittlung in Arbeit, sondern auch eine klar definierte Anforderung an ihre Bezieher. Und die hat SPD-Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas so formuliert:

Für den gesamten Eingliederungsprozess gilt: Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben.

Und:

Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.

Pressestatement zu den Ergebnissen des Koalitionsausschusses © Imago

Konkret bedeutet das: Wer einen Termin im Jobcenter versäumt, dem wird, wenn er auch nach zweiter Einladung nicht erscheint, die Leistung um 30 Prozent gekürzt. Wird der dritte Termin versäumt, werden die Geldleistungen gestrichen. Bei Nichterscheinen auch im Folgemonat werden alle Leistungen, also auch die Zahlung der Miet- und Heizkosten eingestellt.

Von Seiten der Grünen, die in der Ampelregierung, neben der SPD Treiber des Bürgergelds waren, kommt nun herbe Kritik. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge erklärte via X:

Das ist menschlich hart und kalt. Die SPD kann das ‚Sozial‘ aus ihrem Namen auch streichen, wenn sie das mitmacht.

Das ist Quatsch, und zwar gleich doppelter Quatsch. Zum einen, ist es nicht unsozial, von denjenigen, die von der Solidargemeinschaft getragen werden, zu verlangen, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Zum anderen ist die SPD keine Mitläuferin, die etwas mitmacht, sondern sie gestaltet aktiv. Man könnte es auch die Umsetzung von Erkenntnisgewinn in konkrete politische Maßnahmen nennen. Nämlich der Erkenntnis, dass sich die arbeitende Mitte von der Sozialdemokratie abgewendet hat, weil die Sozialdemokraten mit ihrem Kurs der vergangenen Jahre nicht mehr für die arbeitende Mitte da waren.

Wie schon in der Migrations- und Asylpolitik, wo die SPD Zurückweisungen auch von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen zugestimmt hat, hat sie nun in der Sozialstaatsfrage einen Weg eingeschlagen, der dorthin führt, wo ihre Wähler von einst stehen. Oder wie es mein Kollege Nikolaus Blome geschrieben hat: Die Bürgergeld-Abwicklung ist die Wiedergeburt einer SPD, die nah bei den Leuten ist.

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Veröffentlicht von Jan SchroederKarina MößbauerNils Heisterhagen.

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