Schwarz-Rot

Ein Bullshit-Bingo des Koalierens

Dagmar Rosenfeld
02.09.2025
© Imago
© Imago

„Diese Koalition muss der Frage, wie wir wieder zu Wachstum kommen, alles andere unterordnen. Wir sind jetzt im dritten Jahr der Rezession. Die Industriearbeitsplätze gehen verloren. Wir leben von der Substanz. Die Hütte brennt mehr als manche manchmal sehen“, das sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn in Bericht aus Berlin.

Wenn die Hütte brennt, dann hat der Staatsmann mit dem Feuerwehrmann eines gemeinsam: er muss den Brandherd löschen. Die Regierungsverantwortlichen aber haben nicht den Wassereimer, sondern das Feuerzeug in die Hand genommen und selbst noch ein bisschen gezündelt.

Jüngstes Beispiel Bärbel Bas, SPD-Parteivorsitzende und Bundesarbeitsministerin in Personalunion. Bei der Landeskonferenz der nordrhein-westfälischen Jusos sagte sie:

Diese Debatte, dass wir uns diese Sozialversicherungssysteme und diesen Sozialstaat finanziell nicht mehr leisten können, ist, und da entschuldige ich mich jetzt schon für den Ausdruck, Bullshit.

Es war die Reaktion auf den Bundeskanzler der erklärt hatte, Deutschland könne sich das Sozialsystem wie wir es heute haben, mit dem, was wir erwirtschaften, nicht mehr leisten. Laut Bas erzählt der Kanzler also Bullshit.

Nun ist der Kanzler wiederum mit den Sozialdemokraten zuletzt auch nicht koalitionsfördernd umgegangen. Über die SPD sagte er vor Kurzem auf dem Landesparteitag der CDU Niedersachsen:

Aber wenn diese Partei die Kraft besitzt, migrationskritisch und industriefreundlich zu werden, dann hat diese Partei auch eine Chance in der Regierung Tritt zu fassen.

Der Kanzler hat also öffentlich erklärt, sein Koalitionspartner sei noch nicht in der Regierung angekommen. Mittlerweile klingt er geschmeidiger. Auf die Äußerung von Bas reagierte Merz mit versöhnlicher Gelassenheit: Bei einer Rede vor den Jusos müsse man wohl drastischer sprechen, um dort auch Zustimmung zu bekommen.

Hier aber liegt das Problem: die wirtschaftliche Lage in Deutschland, der Zustand der sozialen Sicherungssysteme erfordert verantwortliches Handeln – und nicht parteipolitisches Gerede. Jetzt wäre die Stunde der Staatsmänner und Staatsfrauen, die zum Wohle des Landes agieren, doch zu erleben sind ein Kanzler und Minister, die vor allem das sagen, womit sie glauben, die eigenen Leute begeistern zu können.

Nur das, was Bas zu ihren Jusos sagt oder Merz zu seiner Niedersachsen-CDU, wirkt über die Parteitagshallen und Kongress-Säle hinaus. Denn sie sind auch dort nie nur Vorsitzende ihrer Partei, sondern immer auch die Regierungsvertreter aller.

Friedrich Merz bei der CDU in Niedersachsen © Imago

Eine Arbeitsministerin, die es für nötig hält, den Kanzler des Bullshits zu bezichtigen, um die eigenen Reihen zu schließen und ein Kanzler, der es wiederum für nötig hält, den Regierungspartner zu maßregeln, um die eigenen Leute zu begeistern – hier offenbart sich das eigentliche schwarz-rote Dilemma: Es mangelt in den Parteien an Rückhalt für die Koalition.

Um den zu stärken, agieren die Koalitionäre parteipolitisch, was zur Folge hat, dass die Regierung als zerstritten wahrgenommen wird, weshalb sowohl Union als auch SPD an Zustimmung verlieren. Und das wiederum schwächt den Rückhalt der Koalition in den eigenen Reihen.

Es ist ein Bullshit-Bingo des Koalierens, während draußen die Hütte brennt.

Die Wende zum Besseren ist nicht zu spüren

Aus Worten müssen Taten werden: Für Schwarz-Rot wird der Herbst der Reformen zur Bewährungsprobe.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Dagmar Rosenfeld.

Artikel

Empfehlen Sie uns weiter

Sie können diesen Beitrag mit einem Klick auf die entsprechende Schaltfläche teilen.