Monitoring

Katherina Reiches Energiewende-Check 

Jonathan Packroff
Gestern
© Imago
© Imago

Einen „Realitäts-Check“ für die Energiewende – mit diesem Versprechen war Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) angetreten. Am Montag stellte sie das dazu lang erwartete „Monitoring“ vor. Eine der Kernaussagen der Studie: Die Nachfrage nach Strom wird zwar steigen, aber weniger stark als bisher gedacht.

Warum das wichtig ist: An diesen Annahmen orientiert sich der Ausbau der erneuerbaren Energien, also Windräder, Solaranlagen und weiterer grüner Stromerzeugung.

Eine Infografik mit dem Titel: Korrektur nach unten

Erwarteter Strombedarf 2030 laut Energiewende-Monitoring des Wirtschaftsministeriums, in Terawattstunden (TWh)

Woran das liegt: Bisher wurde ein schneller Umstieg auf E-Autos, Wärmepumpen und strombasierter Hitze in der Industrie (zum Beispiel zum Schmelzen von Metallen oder Glas) angenommen – doch die erhoffte „Elektrifizierung“ kommt nicht so schnell voran wie bisher gedacht.

Hinzu kommt: Auch die Wasserstoff-Erzeugung aus Strom („Elektrolyse“) geht viel langsamer voran als bisher anvisiert. Viele Projekte wurden aufgegeben oder auf Eis gelegt. Gründe: hohe Strompreise, mangelnde Nachfrage.

Bedeutet: Statt wie bisher angenommen bei 750 TWh wird der Strombedarf 2030 wohl nur bei 600 TWh bis 700 TWh liegen. Reiche selbst rechnet damit, „dass wir in der Bandbreite eher am unteren Ende liegen“.

Brisant: Der Rückgang liege unter anderem daran, dass „Produktion geschlossen wird“, räumte Reiche ein. Heißt: Werden in der Folge nun die Szenarien für 2030 nach unten korrigiert, wird nicht mit einer Rückkehr der bereits abgewanderten Industrie gerechnet. Der Rückgang der energieintensiven Industrie wird vielmehr eingepreist.

Katherina Reiche im Gasturbinenwerk von Siemens Energy. © Imago

Bei Wasserstoff werde Deutschland künftig stärker auf Importe und erdgasbasierten – sogenannten „blauen“ – Wasserstoff setzen, fügte Reiche hinzu.

Was Reiche antreibt: Die Kosten für die Energiewende sollen runter. Am Ziel, bis 2030 mindestens 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu produzieren, will die Ministerin festhalten. Aber wenn der Stromverbrauch insgesamt niedriger ist als bisher gedacht, müssen dafür weniger neue Windräder und Solaranlagen gebaut werden.

Das Ziel, bis 2030 mindestens 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu produzieren, soll bleiben. © dpa

Denn: Die bisherigen Mengen an geplanten Windenergie- und Solaranlagen ergeben sich aus der Prognose von 750 TWh.

Insbesondere an Solaranlagen auf Dächern will Reiche ran, ebenso an die Windenergie auf See (Offshore):

  • Solaranlagen auf Dächern, in Kombination mit Batteriespeichern, rechnen sich bereits ohne Förderung, so die Ministerin. Deshalb sei die Förderung „objektiv“ nicht mehr notwendig.

  • Bei Offshore-Wind nehmen sich die Anlagen bereits jetzt den Wind gegenseitig weg (sogenannte „Verschattung“), sodass sich bei der jüngsten Ausschreibung für neue Offshore-Windparks keine Interessenten gefunden haben.

Vom Koalitionspartner kommt scharfe Kritik. „Deutschland sollte sich auch aus Gründen der geopolitischen Resilienz nicht auf einen Pfad der Deindustrialisierung einlassen“, sagte die energiepolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer. Deshalb sollte der Hochlauf der erneuerbaren Energien nicht etwa abgebremst, sondern „sogar noch gesteigert werden“.

Auch Sabine Nallinger, Chefin der Stiftung Klimawirtschaft, einer Initiative von Unternehmen für mehr Klimaschutz, sprach von einem „Alarmsignal“.

„Dieser Trend bedeutet nichts anderes als eine sich weiter vertiefende Deindustrialisierung – vor allem in den zukunftsfähigen Märkten, die auf Strom basieren.“

Trotz der scharfen Kritik: Sind die Annahmen vermutlich realistisch. Denn energieintensive Unternehmen orientieren sich an den künftig erwarteten Strompreisen für erneuerbare Energien. Und die sind etwa im sonnigen Spanien oder in Skandinavien (viel Wind- und Wasserkraft) deutlich niedriger als hierzulande.

Staatssekretär warnt: „Die Hütte brennt“

Stefan Rouenhoff fordert günstigere Energie zur Rettung der Industrie – und Schutz vor der AfD.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Jonathan Packroff.

Artikel

Empfehlen Sie uns weiter

Sie können diesen Beitrag mit einem Klick auf die entsprechende Schaltfläche teilen.