Klimakonferenz

Plötzlich Klimakanzler

Bei der Klimakonferenz muss der Kanzler gleich zwei Herausforderungen gleichzeitig lösen: Im Inland und im Ausland.
Jonathan Packroff
06.11.2025
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Friedrich Merz in Belém: Am Freitagmorgen brasilianischer Zeit nimmt der Kanzler am „Leaders Summit“ teil, dem Treffen der Staats- und Regierungschefs zur Weltklimakonferenz.

Noch vor dem offiziellem Start der Konferenz am Montag hat Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die Staatenlenker versammelt, um zu zeigen: Die Weltklimagemeinschaft lebt – auch wenn die USA aus dem Pariser Abkommen aussteigen.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva © Imago

Wissenschaftler warnen: Mit dem bisherigen Kurs würde sich die Erde immer noch um 2,8 Grad erwärmen, deutlich über dem 2-Grad-Ziel (oder gar 1,5 Grad) von Paris.

Alles ist relativ: Vor zehn Jahren steuerte die Welt allerdings noch auf eine Erwärmung von etwa fünf Grad zu. Im Vergleich dazu seien die 2,8 Grad bereits ein großer Fortschritt, betonte Umweltminister Carsten Schneider diese Woche.

Merz will die Botschaft senden: Auch mit ihm geht der Klimaschutz weiter. Nur eben unter den Bedingungen der „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Technologieoffenheit“, hört The Pioneer aus Regierungskreisen.

In seiner neuen Rolle führt der Klimakanzler zwei Abwehrkämpfe gleichzeitig: zuhause und in der Welt.

Abwehrkampf #1: Finanzielle Zusagen

Bei den COP genannten Konferenzen zeigte sich zuletzt folgende Dynamik: Die Europäer wollen über Klimaschutz reden, der globale Süden über das Geld.

In der UN-Sprache: Liegt die Priorität der Europäer auf „Mitigation“ (Abschwächung) des Klimawandels – und die vieler armer Länder auf „Loss and Damage“, also finanziellen Ausgleich für Klimaschäden.

Diesmal geht es um beides: Brasilien will zur Rettung der Regenwälder einen neuen Fonds aufsetzen. Mit einer Zusage von einer Milliarde Dollar setzt Lula seine Amtskollegen unter Druck.

Merz unterstützt die Idee. Doch die Kassen sind knapp. Eine konkrete Zusage dürfte kaum möglich sein. Der Erfolg der Reise bemesse sich nicht an Finanzzusagen, heißt es.

Stattdessen möchte Merz lieber über deutsche Herzensthemen reden, nimmt an Panels zur Energiewende und Industrietransformation teil. Doch hier droht Ärger zu Hause.

Kanzler Friedrich Merz © dpa

Abwehrkampf #2: Die heimische Industrie

Merz ist stolz auf den marktwirtschaftlichen Klimaschutz in Europa – namentlich den Emissionshandel. Andere Länder „beneiden uns ein Stück weit“ um diesen Ansatz, heißt es in Regierungskreisen.

Doch die Chemieindustrie ist nicht mehr begeistert: Sie läuft seit Wochen gegen den CO₂-Preis Sturm. Grundlegend reformieren, fordert Evonik-Chef Christian Kullmann. Notfalls: Abschaffen.

Grund: Bisher gab es Zertifikate kostenlos, ab 2026 muss auch die Chemieindustrie schrittweise bezahlen.

Die Regierung will die Gratis-Zuteilung verlängern, setzt sich dafür in Brüssel ein. Die Debatte sei „in vollem Gange“, heißt es.

Doch abschaffen möchte Merz den Emissionshandel nicht. Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter und langjähriger Weggefährte Merz' aus dem Sauerland, sagt zu The Pioneer:

Friedrich Merz steht zum Emissionshandel, das hat er immer wieder gesagt.

CDU-Europaabgeordneter Peter Liese © Europäisches Parlament

Und auch die Wirtschaft ist gespalten: Andere Unternehmer fordern Merz zum Kurshalten auf.

Michael Otto, Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats der Otto Group, sagte am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Stiftung Klimawirtschaft in Berlin:

Klimaschutz ist die Basis für die Zukunft, auch die Basis für eine florierende Wirtschaft.

Fazit: Merz spricht gerne über die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Doch den Klimaschutz will er dafür nicht aufgeben.

Kampf um die Industrie

Steht die Klimapolitik der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Weg? Eine Analyse.

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Veröffentlicht von Nils HeisterhagenJonathan Packroff.

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