Israel

Neue Töne in der Staatsräson

Lea-Katharina Krause
26.05.2025
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Die Bundesregierung schlägt im Umgang mit Israel einen kritischeren Kurs ein. Sowohl Bundeskanzler Friedrich Merz als auch Außenminister Johann Wadephul fielen zuletzt durch ungewohnt deutliche Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen auf.

Auf der Digitalkonferenz re:publica sagte Merz am Montag:

Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.

Historisch gewachsen: Wie kein zweites Land auf der Welt müsse Deutschland sich mit öffentlichen Ratschlägen an Israel zurückhalten, fügte er hinzu. Deutschland und der Bundeskanzler könnten allerdings nicht schweigen, wenn Grenzen überschritten werden, wo das humanitäre Völkerrecht verletzt wird. Man stehe zwar an der Seite Israels, trotzdem:

Aber die israelische Regierung darf nichts tun, was irgendwann ihre besten Freunde nicht mehr bereit sind zu akzeptieren.

Eine Infografik mit dem Titel: Große Mehrheit der Deutschen lehnt Israels Vorgehen in Gaza zunehmend ab

Ist das militärische Vorgehen Israels gegen die Hamas im Gazastreifen gerechtfertigt?

Zwischen Kritik und Staatsräson: Damit folgt Merz der deutschen Mehrheitsmeinung und ist auf Linie mit seinem Außenminister Johann Wadephul, der bereits angekündigt hatte, gegenüber Israel eine schärfere Rhetorik anregen zu wollen – allerdings nicht im Alleingang, sondern an der Seite der europäischen Partner.

Bei seinem Besuch auf der Iberischen Halbinsel am Montag unterstrich Wadephul den Israel-Kurs der neuen Bundesregierung:

Niemand sagt, dass die jetzige Situation akzeptabel ist und länger hingenommen werden könnte. Auch Deutschland nicht.

Zwei Außenminister: Johann Wadephul und José Manuel Albares © dpa

Es bleibt rhetorisch: Einem von Spanien vorgeschlagenen Waffenembargo will sich Deutschland nicht anschließen. Der spanische Außenminister José Manuel Albares sagte beim Treffen mit Wadephul am Montag, die Initiative seines Landes ziele darauf ab, „dass immer mehr Länder sich anschließen, damit im Nahen Osten der Frieden zurückkehrt“. Dieses Vorhaben lehnte Wadephul allerdings ab.

Einen Tag später die Differenzierung: Mit Blick auf künftige Waffenlieferungen an Israel sagte Wadephul auf der re:publica, es gebe eine rote Linie. Wo diese liege, könne er derzeit nicht sagen, da das Thema aktuell nicht zur Debatte stehe. Das humanitäre Völkerrecht sei allerdings „nicht irgendetwas“ – daher:

Wo wir erfahren, dass das verletzt wird, da werden wir einschreiten und schon gar nicht weiter Waffen liefern.

Gaza – der zerstörte Küstenstreifen © dpa

Diese nutzt Israel derweil für eine neue Offensive: Das Militär werde im südlichen Gazastreifen einen „beispiellosen Angriff“ beginnen, hieß es in einem Aufruf an die Zivilbevölkerung, die Gegend zu verlassen. Terrororganisationen feuerten weiterhin Raketen aus den vom Fluchtaufruf betroffenen Gegenden ab, teilte Israels Armee weiter mit. Bewohner sollten sich in die humanitäre Zone Al-Mawasi begeben, hieß es.

Fazit: Was lange als unantastbar galt, wird neu vermessen – unter dem Druck der Bilder aus Gaza und dem Wandel der öffentlichen Meinung. Bislang gilt: Worte statt Waffenstillstand. Aber das Schweigen hat aufgehört. Das ist in der deutschen Außenpolitik keine Randnotiz, sondern ein Paradigmenwechsel.

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