Deutschland 2044

Was passiert, wenn nichts passiert? Eine ökonomische Analyse

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 © The Pioneer / Henning Schmitter

Wachstum, Migration und Überschuldung – Deutschland steht vor den größten wirtschaftspolitischen Herausforderungen seit Jahrzehnten. Die Politik fordert viel, gemacht wird zu wenig. Wir machen die ökonomische Analyse: Was kostet uns ein reformfaules Deutschland 2044?

Es ist nicht lange her, da überflügelte der deutsche Wachstumsadler all seine tieffliegenden europäischen Konkurrenten. Heute ist der ökonomische Höhenflug in einen allmählichen Sinkflug übergegangen: Krieg, Energiepreise und überbordende Bürokratie haben dem Adler die Flügel gestutzt.

Dabei möchte die Politik ihn unbedingt vor einem noch tieferen Absturz retten. Sie fordert lautstark Fortschritt und Reform. Die Wahrheit ist aber: Seit 20 Jahren kümmert sich niemand um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nichts bewegt sich. Still ruht die Ambition. Olaf Merkel ist zum Synonym für das möglichst geräuschvolle Nichtstun geworden.

Doch was kostet uns der Stillstand? Was geschieht, wenn zwei weitere Dekaden ins Land gehen, ohne dass die Regierung sich zur Erneuerung aufrafft? Oder anders gefragt: Was passiert, wenn nichts passiert?

The Pioneer hat dieses „Lazy-Case“-Szenario für Einkommen, Rente, Gesundheit, Migration, Wohnen und Staatsverschuldung durchgespielt. Die Folgen wären dramatisch. Deutschland wäre am Ende dieser beiden Dekaden ärmer und älter, innovationsfaul und hoch verschuldet.

Ein Blick auf das Jahr 2044 in sechs großen Problembereichen.

#1 Einkommen 2044: Die große Stagnation

Seit dem Jahr 2000 ist Deutschland nur um ein Prozent pro Jahr gewachsen. Und seit 2019 stagniert die deutsche Volkswirtschaft mit einem Wachstum von mageren 0,1 Prozent.

Ohne Reformen, etwa bei Bürokratie, Investitionsanreizen und Infrastruktur, wäre eine langanhaltende Stagnation kaum zu vermeiden – mit erheblichen Einkommenseinbußen.

Wächst Deutschland bis 2044 weiterhin nur ein Prozent pro Jahr, steigt das durchschnittliche Einkommen pro Kopf von 49.000 auf nur gut 59.000 Euro. Würde das Land hingegen mit drei Prozent wachsen (das entspräche der aktuellen Wachstumsrate der USA), würden die Deutschen im Jahr 2044 fast 90.000 Euro pro Kopf verdienen.

Im Land des Reformstillstands steigt die Abgabenlast auf das ohnehin geringe Einkommen auf ein Rekordhoch.

Allein in den vergangenen 20 Jahren hat sich die Summe der Steuern und Sozialbeiträge (Beiträge für Rente, Pflege, Gesundheit und Arbeitslosenversicherung) an den Staat von 39 Prozent auf 42 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung erhöht, wie aus Zahlen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle hervorgeht: in Summe etwa eine Extraabführung der Privathaushalte an den Sozialstaat von 480 Milliarden Euro.

Setzt man das „Lazy Case”-Szenario in die Zukunft fort, steigt die Abgabenlast in 2044 auf fast die Hälfte des gesamten erwirtschafteten Wohlstands in Deutschland.

Für Gutverdiener sind solche Größenordnungen bereits heute Realität: Bürger mit Einkommen von mehr als 60.000 Euro im Jahr zahlen bereits die Hälfte ihres Einkommens an den Staat. Innerhalb der OECD-Länder liegt Deutschland damit auf Platz zwei – nur Belgien belastet noch höher.

Ohne Reform verzichten die Deutschen 2044 auf Wohlstand und werden höher belastet.

#2 Rente 2044: Die tickende Zeitbombe

Im Gespräch mit The Pioneer sagt Rentenexperte Professor Bernd Raffelhüschen:

Es ist nicht fünf vor zwölf, die Rente zu reformieren, sondern weniger als eine Sekunde davor. Vielleicht ist es aber auch schon zu spät.

Rentenpapst: Ökonom Prof. Bernd Raffelhüschen © imago

Die jährlichen Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung liegen schon jetzt bei mehr als 360 Milliarden Euro. Und: Schon heute muss die Regierung ein Viertel ihres Budgets aufwenden, um die Rentenkassen zu bezuschussen. Unterm Strich sind das circa 110 Milliarden Euro Steuern pro Jahr. Vor 20 Jahren war es nicht mal die Hälfte.

In 20 Jahren, im Jahr 2044, nähern sich die Gesamtkosten für die Rente einer gigantischen Summe an: fast eine Billion Euro. Pro Jahr. Finanziert von einer schrumpfenden Zahl von Beitrags- und Steuerzahlern. Das ifo Institut rechnet vor, dass 2044 der Staat fast 60 Prozent seines Haushaltes dazu aufwenden muss, um die Rente zu bezuschussen.

Eine Infografik mit dem Titel: Rentensystem unter Druck

Verhältnis eines Rentners zur Anzahl der Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung

Reformen wie die Aktienrente sind zu kleinkalibrig. Bis 2036 sollen 200 Milliarden Euro über Schulden angesammelt werden. Das Geld wird an der Börse angelegt und soll ab Mitte der 30er Jahre rund zehn Milliarden Euro pro Jahr Rendite abwerfen. Im Vergleich zu einer knappen Billion Rentenausgaben wären das ein Prozent: ein - auf Pump finanzierter - Tropfen auf den heißen Stein.

Die Finanzierungslücke kann nicht nur durch den Steuerzahler geschlossen werden. Auch die Beitragszahler werden sich bis 2044 auf deutlich höhere Beiträge einstellen müssen.

Mit Blick auf die Rente 2044 warnt Prof. Raffelhüschen: ​„Wenn wir alle Formen von Abgaben kombinieren – Steuerlast, und das notwendige Wachstum der Beiträge in die Pflege- und Rentenversicherung , dann muten wir unseren Kindern in Zukunft zu, bis zu 60 Prozent ihres Einkommens an Alte und Kranke abzugeben.“

Volkswirtschaftlich heißt das: Die Kosten der Rente 2044 steigen von gut zehn Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung bis 2044 auf fast 13 Prozent an. Nur zum Vergleich: Das ist fast dreimal so viel wie der Beitrag der gesamten deutschen Autoindustrie zur deutschen Volkswirtschaft.

#3 Pflege 2044: Das Jahrhundertproblem

2044 werden fast neun Millionen Menschen über 80 sein. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird von heute vier Millionen auf fast sechs Millionen Menschen ansteigen. Das macht hunderttausende zusätzliche Pflegeplätze und Personal nötig.

Professor Thomas Druyen, Institutsleiter in Wien und Mitautor der PflegeStudie 2022, warnt gegenüber The Pioneer:

Die Pflegethematik im demografischen Wandel ist eine absolute ​Existenzfrage nicht nur für den Einzelnen, sondern für die ganze Gesellschaft, die seit Jahrzehnten in Deutschland verdrängt wird.

Das sieht man ganz besonders am Auseinanderdriften von Bedarf und Angebot bei Pflegekräften in Deutschland. Schon heute ist Deutschland trauriger Spitzenreiter: Rund 13 Patienten kommen auf eine Pflegekraft. Selbst bei dem positiven Szenario des Statistischen Bundesamtes, das eine positive Beschäftigungsentwicklung bei den Pflegekräften annimmt, klafft 2044 eine riesige Lücke: Es gibt 200.000 Pfleger zu wenig. Läuft die Arbeiterakquise schlecht, fehlen in zwanzig Jahren 600.000 Pfleger in Deutschland.

Eine Infografik mit dem Titel: Mehr Bedarf als Angebot

Prognose zum Bedarf und Angebot an Pflegekräften in Deutschland nach Szenarien bis 2049, in Millionen

Bald kaum noch helfende Hände in der Pflege? © dpaGleichzeitig schießen die Kosten durch die Decke. Günter Neubauer, Gesundheitsökonom aus München, schätzt, dass der individuelle Beitragssatz zur Pflegeversicherung von heute vier Prozent auf sechs Prozent ansteigen könnte. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von 59.000 Euro in 2044 wären das 3.500 Euro pro Jahr.

Schon heute werden insgesamt 400 Milliarden Euro für die Volksgesundheit ausgegeben. Im Szenario von Götz Zeddies vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle steigen die Ausgaben für Pflege und Gesundheit von neun Prozent auf fast zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung. Was erst mal nicht viel klingt, entspricht einer Ausgabenverdoppelung 2044: 800 Milliarden Euro. Bis 2050 nähern wir uns auch hier der Eine-Billion-Euro-Marke.

Eine Infografik mit dem Titel: Knackt Deutschland die Billionenmarke?

Projizierte Gesundheitsausgaben, in Milliarden Euro

#4 Migration 2044: Das Qualifikationsproblem

Ohne Migration wird Deutschland 2044 nicht nur älter, sondern langfristig auch kleiner sein. Deutschland braucht 2044 Migration mehr denn je. Doch bleibt die Migrationspolitik wie bisher, droht das deutsche Qualifikationsniveau zu sinken.

Die deutsche Bevölkerung könnte 2044 von knapp 83 Millionen auf knapp 78 Millionen Menschen und 2070 sogar auf nur 74 Millionen einbrechen. Das geht aus der „pessimistischsten Variante“ des Tragfähigkeitsberichts hervor, der alle vier Jahre vom Finanzministerium herausgegeben wird. Angenommen wird, dass die Geburtenrate weiter zurückgeht, die Lebenserwartung kontinuierlich steigt und jedes Jahr 150.000 Menschen pro Jahr zuwandern.

Auf die lange Sicht sind die Folgen eines älteren, aber eben auch kleineren Deutschlands gefährlich: Denn schrumpft der Pool an Arbeitern, schrumpft auch das Produktionspotenzial der deutschen Volkswirtschaft 2044. Neben zusätzlichem Kapital ist zusätzliche Arbeit der entscheidende Faktor für eine wachsende Volkswirtschaft – das betonte IfW- Präsident Moritz Schularick erst vor Kurzem im Gespräch mit dem baden-württembergischen Finanzminister Danyal Bayaz. Der Arbeitermangel betrifft dabei ganz besonders Bereiche, die kaum automatisierbar sind, weil sie menschliche Nähe erfordern, wie zum Beispiel die Pflege.

Es braucht Arbeitskräfte über alle Qualifikationsniveaus hinweg. Denn über alle Niveaus verlassen seit mehr als einem Jahr mehr Menschen altersbedingt den Arbeitsmarkt als neu hinzukommen. Das stellen die Ökonomen und Autoren der Gemeinschaftsdiagnose 2024 der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute – wie dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus Berlin, dem ifo Institut aus München und dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) aus Kiel – fest. Ohne hohe Qualifikationen, keine hohen Steuereinnahmen: Förder-Klasse an einer Gesamtschule in Gelsenkirchen © IMAGO / Funke Foto Services

Fakt ist: Deutschland braucht Einwanderung, wenn es seine Prosperität erhalten möchte. Ein Zukunftsproblem aber bleibt. Migranten arbeiten hauptsächlich in geringer qualifizierten Hilfsjobs, die absolut notwendig für die deutsche Volkswirtschaft sind: Lieferwagen wollen gefahren, Bars bedient und Krankenhäuser geputzt werden.

Doch der üppige deutsche Sozialstaat lebt ausschließlich von den Steuern und Abgaben der Arbeitnehmer mit hohen Qualifikationsniveaus und damit auch hohen Einkommen. Zahlen des IW Köln zeigen: Rechnet man alle staatlichen Leistungen von Pensionen bis Arbeitslosengeld zusammen, zahlt erst die einkommensstärkere Hälfte der Bevölkerung überhaupt mehr an den Staat als sie von ihm bekommen.

Das heißt, eine migrantische Familie mit zwei Kindern zählt erst ab einem Haushaltseinkommen von 66.000 Euro überhaupt zu den Nettosteuerzahlern.

Eine Infografik mit dem Titel: Migranten haben ein Qualifikationsproblem

Berufliche Anforderungsniveaus nach Staatsangehörigkeit

Das erreichen viele mit ihrer Ausbildung aber nicht. Das Qualifikationsniveau der neuen Migranten liegt unter dem Niveau derjenigen, die den Markt aus Altersgründen verlassen. Forschungsleiter für Konjunktur und Wachstum beim IfW und Co-Autor der Gemeinschaftsdiagnose, Professor Stefan Kooths, sagt: „Die größte Wertschöpfung kommt von Wissensarbeitern.“

Höher ausgebildete Migranten, die mehr Wohlstand schaffen und Steuern zahlen könnten, sind von Deutschland abgeschreckt: Fremdenfeindlichkeit und unattraktive, hohe Abgabenquoten machen andere Länder attraktiver.

Läuft in Deutschland die Entwicklung ohne eine Qualifikationsoffensive für Migranten so weiter und kommen wie in den letzten Jahren 300.000 Menschen pro Jahr ins Land, werden 2044 sechs Millionen zusätzliche Menschen in Deutschland leben – von denen geht fast die Hälfte Aufgaben für Geringqualifizierte nach und nicht mal ein Fünftel kann den Job eines dringend gesuchten Spezialisten übernehmen.

Die deutsche Volkswirtschaft 2044 braucht Arbeiter über alle Qualifikationsniveaus hinweg. Der üppige deutsche Sozialstaat aber ist angewiesen auf Hochsteuerzahler. Sprich: Auf Nettozahler, nicht Nettoempfänger.

#5 Wohnen 2044: Hemmschuh Immobilienpreise

Ohne tiefgreifende Reformen leidet Deutschland 2044 unter dystopisch teurem Wohnraum. Und der ist zwei Sachen auf einmal: ein sozialpolitisches Problem und eine Wachstumsbremse.

Ökonomisch ist es eindeutig: Menschen sollten dort wohnen und leben, wo sie am produktivsten sind, also für die Gesellschaft am meisten Wohlstand stiften. Doch schon heute sind viele Bürger von den hohen Wohnungspreisen in den hochproduktiven Ballungsgebieten der Bundesrepublik abgeschreckt.

Verteuert sich der Wohnraum in Deutschland so dramatisch weiter wie bisher, wären Mietwohnungen bis 2044 im Durchschnitt fast 50 Prozent teurer als noch 2004. Noch dramatischer ist die Lage in den Städten. Das IfW berechnete, dass eine Stadtwohnung heute fast dreimal so viel kostet wie im Jahr 2000. Geht die Preisentwicklung also so ungebremst weiter, kostet eine 60 Quadratmeter große Mietwohnung in Berlin 2044 rund 2.300 Euro kalt. In Hamburg und München wären es sogar 2.700 Euro.

Ein seltener Anblick: Neuer Wohnungsbau in Berlin © IMAGO / Schöning

Es scheint, als könne man mit Immobilien und Vermietung schnell reich werden. Doch nirgendwo brechen in Europa die Neubauzahlen so stark ein wie in Deutschland. Ein Ende ist nicht in Sicht. Der sogenannte Rat der Immobilienweisen prognostiziert in seinem Frühjahrsgutachten, dass allein bis 2027 insgesamt 800.000 Wohnungen fehlen werden.

Passiert nichts, legt man die Zahlen der Immobilienweisen zu Grunde und schätzt den Mangel konservativ, ergibt sich für 2044 eine katastrophale Lücke von fast zwei Millionen Wohnungen.

Eine Infografik mit dem Titel: Die drohende Millionenlücke

Prognose zur Entwicklung der kumulierten Neubaulücke, Anzahl fehlender Neubauten

Besonders betroffen davon: die Innovationskraft des deutschen Standortes. Deutschland ist als Ideenland besonders auf die smarten Ideen und Erfindungen seiner Bürger angewiesen, um Wachstum und Fortschritt zu generieren.

Doch im 21. Jahrhundert entsteht Wachstum nicht mehr an der Werkbank in der Provinz, sondern in der Kombination vieler smarter Ideen, die sich in dynamischen Metropolregionen austauschen. Harvard-Ökonom Professor Edward Glaeser sagt deshalb:

Städte sind unsere größte Erfindung.

Doch 2044 können sich wohl nur die Reichen und nicht unbedingt die Produktiven die Stadt leisten oder überhaupt eine Wohnung finden. Ein unheilvoller Vorbote sind hier die USA. Die Ökonomen Chang-Tai Hsieh und Enrico Moretti haben berechnet, dass das mangelnde Bauvolumen allein in den drei Städten New York, San Francisco oder San Jose dazu beigetragen hat, dass die gesamte USA seit den 1960er-Jahren um mehr als ein Drittel langsamer gewachsen ist.

Die Tendenz kann man auch heute schon in Deutschland beobachten. Zwischen 2010 und 2022 ist die deutsche Innovatorenquote um 16 Prozentpunkte auf 51 Prozent eingebrochen: der Anteil an Unternehmen, die mindestens eine Innovation im Jahr herausgebracht haben. Investiert Deutschland nicht in seine Städte und setzt sich der Trend fort, wird in Deutschland 2044 nur noch ein Viertel der Unternehmen überhaupt innovativ sein.

#6 Verschuldung 2044: Der Staat implodiert

Einkommen, Rente, Wohnen, Pflege und Migration – überall soll mehr Geld in die Hand genommen werden. Spätestens seitdem die italienisch-amerikanische Ökonomin Mariana MazzucatoRobert Habecks Lieblingsökonomin, so heißt es – einen deutlich aktiveren und stärker investierenden Staat forderte, blicken bei den großen Investitionsentscheidungen der nächsten Jahrzehnte alle Stakeholder auf den Staat.Mariana Mazzucato setzt sich für einen aktiveren Staat ein. © dpa

Doch die öffentlichen Kassen sind leer. Was bleibt? Die Schuldenfinanzierung. Aber auch da sieht die Zukunft bis 2044 düster aus.

Der Tragfähigkeitsbericht des Finanzministeriums zeigt zwei potenzielle Szenarien der Schuldenentwicklung – eine optimistische und eine pessimistische. Doch wie man es dreht und wendet: Selbst das optimistische Szenario ist besorgniserregend.

Im pessimistischen Szenario würde die deutsche Staatsverschuldung 2044 bei circa 125 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen und damit knapp unter der Staatsverschuldung Italiens heute. Bis 2070 droht sich der Anteil gar auf 345 Prozent zu vervielfachen.

Und selbst im optimistischen Schuldenszenario hätte Deutschland 2044 die Maastricht-Kriterien gerissen und wäre bis 2070 auf einem Pfad zu einer 140 Prozent-Verschuldung.

Eine Infografik mit dem Titel: Zwei Szenarien für die deutschen Staatsschulden

Mögliche Schuldenstandsquote im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (BIP) bis 2070, in Prozent

Hinzu kommt, dass die „positivere” Entwicklung von zwei Faktoren abhängig ist, für die es momentan gar nicht gut aussieht: hochqualifizierte Migranten und eine brummende Volkswirtschaft.

Auf den Finanzmärkten verlassen sich die Unternehmen oft auf den Staat als „lender of last resort”. Wenn alles schiefläuft, steht er als Kreditgeber in der letzten Instanz bereit und stärkt den Unternehmen mit seiner Finanzkraft den Rücken. Und auch bei den großen Herausforderungen des Jahres 2044 verlassen sich viele auf den Staat.

Aber: Was wäre, wenn selbst den Staat die Kraft verlässt, sich gegen die wirtschaftspolitische Dystopie 2044 aufzubäumen?

Fazit: Eine Politik des Stillstands ist eine Politik des schleichenden Untergangs. Der Wachstumsadler braucht Reformen, um überhaupt die Chance zu haben, zum Phönix aus der Asche zu werden. Dieses 2044-Szenario - was passiert, wenn nichts passiert - sollte uns nicht frustrieren, sondern ermutigen und revitalisieren. Deutschland braucht Fachkräfte für den ökonomischen Wiederaufbau – auch und vor allem in der Regierung.