Huawei spaltet Westen

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Guten Morgen,

wenn man den aktuellen Konflikt zwischen dem Weißen Haus und dem Bundeskanzleramt in nur einem Wort beschreiben wollte, wäre es wohl dieses: Huawei. Das 1987 gegründete Unternehmen ist für die Chinesen eine Perle, für die Deutschen ein Partner und für die Amerikaner eine Krake, deren giftige Tentakel tief in den ökonomischen Körper des Westens vorgedrungen sind. Huawei ist ... ► ... der mit rund 200 Millionen verkauften Handys in 2019 der zweitgrößter Smartphone-Hersteller der Welt. Nur Samsung verkauft mehr. ► ... ist einer der führenden Anbieter von Telekommunikationslösungen. Mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung und rund die Hälfte der Deutschen nutzen Huawei-Technologie, oft ohne es zu merken. ► ... ist ein globaler Riese mit mehr als 180.000 Mitarbeitern – fast doppelt so groß wie Vodafone.

Eine Infografik mit dem Titel: Huawei: Rasantes Wachstum

Entwicklung von Umsatz und Nettoergebnis, 2008 gegenüber 2018, in Milliarden US-Dollar

Der Mobilfunkstandard der fünften Generation (5G) soll das Unternehmen endgültig an die Weltspitze katapultieren. Man will sich – für den Endkunden unsichtbar – auf dem Super-Highway des Digitalzeitalters einquartieren. Nur ein Mann stellt sich dem chinesischen Ansinnen gewohnt breitbeinig in den Weg: Donald Trump. Er sagt:

Wir werden keine Geschäfte mit Huawei machen.

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Nun kommt US-Außenminister Mike Pompeo nach Berlin, um der Bundesregierung zu erläutern, das „wir“ auch „ihr“ bedeutet. Sein Redetext steht:

Das Unternehmen ist nicht nur eng mit China verbunden, sondern auch mit der Kommunistischen Partei Chinas. Und diese Existenz der Verbindungen gefährdet amerikanische Informationen, die diese Netzwerke durchqueren.

Für den Fall, dass Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer sich weiter diffus zeigen, hat der Mann aus Washington eine kleine, aber gemeine Drohung im Gepäck. Die USA würden im Fall der Fälle die zur Terrorbekämpfung wichtige Zusammenarbeit der Geheimdienste infrage stellen. Der Grund:

Wir können nicht zulassen, dass Daten von US-Bürgern oder US-amerikanischen Sicherheitsbehörden über Systeme laufen, denen wir nicht vertrauen.

Der Kern dieses transatlantischen Konflikts ist genetisch bedingt. Nachkriegsdeutschland besitzt keine strategische Kultur und lehnt als Kind des Krieges die Instrumente der Machtpolitik innerlich ab. Die Bundesbürger wollen keinen Ärger, sondern Geschäfte machen.

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Die USA hingegen besitzen ein bellizistisches Temperament, das sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ungenierter denn je ausleben konnte. Der konservative Sicherheitsexperte und Essayist Robert Kagan, einst Berater für John McCain, sagt über diese USA:

Mächtige Staaten sehen die Welt mit anderen Augen als schwächere Staaten. Sie bewerten Risiken und Bedrohungen anders, sie definieren Sicherheit anders. Wenn du einen Hammer hast, sehen plötzlich alle Probleme wie Nägel aus.

Für den europäischen Rückzug ins Romantiktal hat Kagan wenig Verständnis:

Viele Europäer glauben, sich nach dem Ende des Kalten Krieges von der Strategie beurlauben zu können.

Der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, gibt den Amerikanern recht. Im Gespräch mit meinem Kollegen Michael Bröcker für den Morning Briefing Podcast begründet er seine Skepsis gegenüber einem Huawei-Deal mit dem Durchgriffsrecht des chinesischen Regimes:

Huawei kann in Deutschland, in Europa unterschreiben, was es will. In China besteht der robuste Zugriff der Sicherheitsbehörden auf Huawei. Das lässt sich nicht abstreiten.

Derjenige, der jetzt 5G bereitstellt, der wird auch ganz sicher die nachfolgenden Generationen wie 6G, 7G, 8G bereitstellen. Das bedeutet, wir rutschen in eine strategische Abhängigkeit von China.

Unsere ureigensten Sicherheitsinteressen sprechen klar gegen eine Beteiligung von Huawei bei 5G. Unabhängig von der Haltung der Amerikaner.

Fazit: Es gibt gute Gründe, die deutsche Geschäftstüchtigkeit zu hinterfragen. Wir glauben, die über alle Branchen sich erstreckende Kooperation mit China sei ein einträgliches Geschäft. Womöglich aber verkaufen wir nicht nur Autos, Pharmaka und Werkzeugmaschinen, sondern uns selbst.

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Die CDU ist derzeit Deutschland liberalste Partei. Jeder sagt, was er denkt. So kündigte der thüringische CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring nach seiner Niederlage bei der Landtagswahl an, dass er bereit sei, mit Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei zu reden:

Wenn die CDU sich dem verweigern würde, würde sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.

CDU-Fraktionsvize Michael Heym denkt auch – aber anders:

Rechnerisch reicht es für ein Bündnis aus AfD, CDU und FDP. Ich finde, das sollte man nicht ausschließen.

Und das Konrad-Adenauer-Haus in Berlin wäre keine Parteizentrale, wenn man nicht auch dort denken und vor allem lenken würde. So pocht die CDU-Führung in Bezug auf Koalitionen mit AfD und Linkspartei auf ihren Unvereinbarkeitsbeschluss aus dem Vorjahr. „Der Beschluss des Bundesparteitags bindet alle, insbesondere jene, die in der Partei Verantwortung haben“, sagt Generalsekretär Paul Ziemiak:

Die Meinung der CDU hat sich nicht geändert. Punkt aus. Ende der Durchsage.

Das Kennzeichen einer liberalen Partei ist, dass die Debatte nach solchen Durchsagen meist erst so richtig in Gang kommt. Alles ist gesagt, aber nicht von allen. Kanzlerin Angela Merkel zum Beispiel akzeptiert eine solche Ansage nicht, schließlich kommt diese nicht von ihr. Im „Spiegel“-Interview gibt sie Mohring für seine Gesprächsdiplomatie ihren persönlichen Feuerschutz.

Dass Mike Mohring mit Ministerpräsident Ramelow sprechen will, wenn dieser das möchte, finde ich völlig ok – und hat mit einer Koalition nichts zu tun.

Fazit: Die CDU sucht scheinbar neue Partner – und in Wahrheit doch nur sich selbst.

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Immerhin: Kanzlerin Angela Merkel, der man in den vergangenen Wochen vorgeworfen hatte, sie sei abgetaucht, ist wieder da. Sie sorgte dafür, dass ihr Interview mit dem „Spiegel“ schon jetzt online veröffentlicht wurde, obwohl das Magazin erst am Wochenende erscheint. Dort äußert sie sich deutlicher als deutlich gegenüber jenen Bürgern, die ihre eigene ökonomische Unsicherheit in politische Ressentiments verwandeln. Merkel:

Auch wenn man mit dem öffentlichen Nahverkehr, der ärztlichen Versorgung, dem staatlichen Handeln insgesamt oder dem eigenen Leben nicht zufrieden ist, folgt daraus kein Recht auf Hass und Verachtung für andere Menschen oder gar Gewalt.

Merkel widerspricht der These, in Deutschland werde die Meinungsfreiheit eingeschränkt:

Ich ermuntere jeden, seine oder ihre Meinung zu sagen, Nachfragen muss man dann aber auch aushalten. Und gegebenenfalls sogar einen sogenannten Shitstorm. Das gehört zur Demokratie dazu.

So sehen in der Welt der Politik vernehmbare Lebenszeichen aus. Merkels Botschaft: Ich bin im Endspurt, aber noch nicht auf der Ziellinie. Wäre ihre Welt ein Roman, dann am ehesten der von Mario Simmel: Hurra, wir leben noch!

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Der schon zu Beginn der Großen Koalition versprochene Zwischenbericht der Bundesregierung, der heute am Rande der Kabinettssitzung präsentiert werden soll, liest sich wie die Hausmärchen der Gebrüder Grimm. Man habe „viel erreicht und umgesetzt – aber es bleibt auch noch viel zu tun“. Das hieß früher etwas prägnanter: Es war einmal. In dem mehr als 80 Seiten dicken Dokument findet sich eine stolze Serie von Erfolgen sowie ein kühner Katalog des noch zu Leistenden. Olaf Scholz als das tapfere Schneiderlein. Die Folge der Streiche reicht von der Ausweitung des Bundespolizeigesetzes über den Bürokratieabbau bis hin zum Bekenntnis zur CO2-Reduktion. Das Konvolut kann man auch als Intelligenztest für die Bürger begreifen. Oder, um es mit dem kolumbianischen Denker Nicolás Gómez Dávila zu sagen: „Der Mensch reift, wenn er aufhört zu glauben, dass die Politik seine Probleme löst.“

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Dass ein US-amerikanischer CEO einen Auftritt in Europa für die Kritik an der Notenbank nutzt, kommt nicht alle Tage vor. David Solomon, Chef des Bankhauses Goldman Sachs, hat es bei seinem Besuch in Berlin getan. Im Interview mit „Bloomberg Deutschland“ sagte er:

Wenn wir auf die Negativzinsen zurückblicken werden, dann wird es nicht wie ein großartiges Experiment aussehen.

Es steht außer Frage, dass das Wachstum in diesem Teil der Welt hinterherhinkt und die Negativzinsen meiner Meinung nach keine Beschleunigung dieses Wachstums ermöglicht haben.

Damit ist die Behauptung des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, nur die deutschen Ökonomen würden ihn kritisieren, widerlegt. Die Bundesbank mit ihrer Abwehrhaltung gegenüber der fortgesetzten Geldflutung ist nicht die Nachhut der Geschichte, sondern ihr Vorauskommando.

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Die CDU wendet das Motto vom lebenslangen Lernen nun auch auf sich selbst an. Der IT-Unternehmer und CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann hat deshalb im Adenauer-Haus eine Art Bildungs-Netflix für Parteifunktionäre installiert. Auf der Videoplattform Milla erklären Experten in kurzen Videos die Grundlagen der Digitalisierung. „See what’s next“, heißt es bei Netflix. „See what’s Neuland“, heißt es nun bei der CDU.

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Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel wird nicht als Cheflobbyist des Verbands der Automobilindustrie arbeiten. Er habe „nach reiflicher Überlegung und aufgrund anderer Aufgaben“ entschieden, dass er für diese Rolle nicht zur Verfügung stehe. In fröhlicher Offenheit macht er den Autobossen deutlich, dass er sein Berufsleben in Freiheit und nicht in den Ketten des Lobbyismus zu beenden gedenke. Auch das ausgelobte Gehalt von rund 700.000 Euro, das das Kanzlersalär um rund 100 Prozent übertrifft, konnte ihn nicht locken. Er bat die Mächtigen der Autobranche höflich um Entschuldigung: „Geld ist nicht alles.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen selbstbewussten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
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