Der 8. Tag – der Newsletter

Das Unbewusste in der Politik, Trumps Rokoko-Hölle, Rainer Maria Rilke und The Studio

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© The Pioneer

Guten Abend,

es ist wieder Montag und wir starten in eine, mal wieder, unsichere Woche.

Wir wollen heute

  • an einen der herausragendsten Dichter Deutschlands erinnern,

  • Ihnen eine Serie empfehlen

  • und über Rokoko nachdenken.

Doch zunächst steigen wir ab in das Unbewusste. Los geht's.

Ein Besucher blickt auf das Bild "Der Pilger" von René Magritte. © dpa

Es gibt da eine Frage, die mich gerade in diesen Zeiten sehr beschäftigt: Wie viel von dem, was wir Politik nennen, ist rational? Wie viel irrational?

Und wo wir schon dabei sind: Warum entscheiden sich Menschen, die in Demokratien leben, für Kräfte, die genau diese Demokratie infrage stellen?

Es ist das eine, wenn ein autoritärer Staat immer totalitärer dreht. Etwas anderes ist es aber, wenn Menschen, die in einer freien, rechtsstaatlichen, demokratischen Gesellschaft leben, sich zu Personen und Parteien hinneigen, die das Demokratische nicht nur suggestiv infrage stellen, sondern die Abschaffung ihrer Werte und Institutionen offen artikulieren.

Sehenden Auges also in das Autoritäre wollen – warum?

Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, stoßen wir in eine Zone vor, die häufig unterschätzt wird: die, in der Politik und Psychologie aufeinander treffen.

Das Unbewusste spielt nicht nur in der Individualpsychologie eine Rolle, das Unbewusste ist auch politisch.

Wie wirken kollektive Sehnsüchte, Ängste und Erinnerungen auf unsere politischen Entscheidungen?

Über diese Fragen habe ich mit der Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun gesprochen.

Populisten nutzen Sehnsüchte wie die nach einer Gemeinschaft aus, um so etwas Ähnliches wie Vertrauen herzustellen.

Wir sprechen über Traum und Trauma, über die Mechanismen autoritärer Verführung – und über die Frage, warum Vertrauen so schwer zu gewinnen und so leicht zu verlieren ist.

Ich glaube, das Gespräch hilft zu verstehen, was in dieser Welt gerade los ist.

Das Unbewusste als Terrain der Macht

Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun über kollektive Ängste und antidemokratische Sehnsucht.

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast

Der 8. Tag

Bundeskanzler Friedrich Merz im Rokoko Museum – bzw. im Oval Office. © Imago

Prunkvolle Bilderrahmen, glänzendes Gold und viele verschnörkelte Ornamente: Donald Trump hat das Oval Office umdekorieren lassen. Ganz im Stil seiner Privatresidenz Mar-A-Lago hat der Präsident sein Amtszimmer – um die Kollegen der New York Times zu zitieren – in eine „Rokoko-Hölle“ verwandelt.

Wo unter Joe Biden gedeckte Farben und zurückhaltende Eleganz dominierten, funkelt es jetzt aus jedem Winkel: Getreu Trumps Devise mehr ist mehr schmücken nicht nur eine Vielzahl neuer Gemälde die Wände, auch neue zusätzliche Spiegel sind hinzugekommen. War es Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte und vor Sehnsucht dahinschwand? Nun denn.

Trumps Oval Office und Bidens Oval Office im Vergleich. © Imago

Das Rokoko entstand als Stilrichtung der europäischen Kunst in den Jahren 1730 bis 1780 und unterscheidet sich durch Unregelmäßigkeit und Asymmetrie in seinen Ornamentmotiven von barocken Formen. Dabei wird Rokoko eher als ein (oberflächlicher) Dekorationsstil gesehen und weniger als eine eigene Stilepoche, die Baukunst und bildnerische Künste umfasst.

Seine Ästhetik mit Motiven wie Früchten und Muscheln (Rocaille, französisch für Muschelwerk) stehen für grotesken Überfluss, Macht und Dekadenz.

Grotesker Überfluss, Macht und Dekadenz? Oberflächliche Dekoration – man könnte auch sagen: Inszenierung? Unregelmäßigkeit und Asymmetrie? Donald Trump? Hm...

Ein Tipp für Liebhaber: Im Neuen Palais in Potsdam kann man preußischen Rokoko bewundern.

Ausschnitt aus "The Studio". © Apple TV+ Press

Was passiert, wenn ein Mann, der eigentlich nur gemocht werden will, ein Hollywood-Studio leitet? Nun, in The Studio spielt Seth Rogen genau diesen Mann und scheitert an seinem Versuch, Arthouse-Anspruch mit Blockbuster-Bilanzen zu versöhnen.

Sarkastisch blickt die Serie auf klassische Branchenklischees: Regisseure als Sensibelchen, Autorinnen als Kontrollfreaks, Schauspieler als Egomanen. Zwischen Pitches, Premieren und Peinlichkeiten stolpert Rogen durch eine Branche, in der alle Beteiligten genial, größenwahnsinnig oder einfach ein bisschen speziell sind.

Mit dabei: Bryan Cranston (Walter White in Breaking Bad) als esoterischer Studio-Überboss, Zoë Kravitz als zu perfekte Version ihrer selbst - und Martin Scorsese, der sich von einem Softdrink-Blockbuster ruinieren lässt.

Die Serie ist eine kurzweilige, sehr witzige Abrechnung mit Hollywoods schönster Selbsttäuschung: dass Kunst und Kommerz sich doch irgendwie vertragen könnten.

Rainer Maria Rilke © Imago

Prosa deutsch, Drama englisch, Lyrik türkisch, Philosophisches französisch. Mit diesen Vierklang glaubte ich die richtige Kategorisierung gefunden zu haben, um von allem das Beste zu lesen und gleichzeitig einigermaßen Herrin all der Literatur zu werden, die es zu erleben gibt. Thomas Mann, Oscar Wilde, Simone de Beauvoir, Nazim Hikmet. Aber natürlich ist jeder Versuch der Verallgemeinerung zum Scheitern verurteilt und selbstredend gibt es tolle englische Philosophie, türkische Prosa, französisches Drama und deutsche Lyrik.

Für letzteres fällt mir neben Heinrich Heine sofort der große Rainer Maria Rilkes ein. Und von ihm und über ihn werden wir in den kommenden zwei Jahren besonders viel zu lesen, schauen und hören bekommen. Dieses Jahr feiern wir den 150. Geburtstag Rainer Maria Rilkes, gleichzeitig ist 2026 sein 100. Todestag. Machen Sie sich auf ein Rilke-Reigen gefasst.

Schon zu Lebzeiten soll er eine Ikone des Literaturbetriebs gewesen sein, erzählt Sandra Richter, die in einer Aufsehen erregenden, neuen Rilke-Biografie den Dichter auf erfrischend andere Weise portraitiert.

Warum es heute mehr Rilke denn je bräuchte, was es bedeutet, der Welt offen entgegen zu treten und mit welchen Texten man gut in den Rilke-Kosmos einsteigen könnte, das und mehr hat meine Kollegin Pia v. Wersebe die Direktorin des deutschen Literaturarchivs Marbach Prof. Sandra Richter gefragt.

Das Interview lesen Sie hier.

Mit einem Klick auf das Bild gelangen Sie zu den Tickets. 

Das wird ein sehr besonderer, ein nachdenklich-humorvoller Nachmittag und ich freue mich sehr, wenn Sie dabei sind: Hubertus Meyer-Burckhardt kommt zu uns an Bord und sinniert mit mir über die Fragen:

Wann haben die Deutschen eigentlich ihre Leichtigkeit verloren? Hatten sie je welche? Oder verbietet sich die Frage nach Lebensfreude und Zuversicht ohnehin – angesichts der Kriege und Krisen, in denen sich die Welt befindet? Gerade jetzt, glaubt Hubertus, brauche es Menschen, die anders sind – stark, mutig und unangepasst. So wie seine Großmutter Christine Elise Wilhelmine Vollbrecht, geboren im Mai 1898. "Es mag sein, dass es zwischen ihrer Lust zu leben einerseits und den beiden Kriegen andererseits, die ihre Welt zweimal zerstörten, einen Zusammenhang gibt", glaubt er.

Was meinen wir eigentlich, wenn wir sagen, dass es kaum mehr Menschen „alten Kalibers“ gibt? Und stimmt die These, dass es erstmals die bürgerliche Linke sei, die gesellschaftliche Vernunfts-Kontrolle ausübt? Über diese Fragen und mehr diskutiere ich mit ihm – diskutieren Sie mit uns. Am Samstag, 5. Juli, ab 16 Uhr in Berlin. Ich freue mich auf Sie!

Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche .

Auf sehr, sehr bald.

Pioneer Editor, Stv. Chefredakteurin The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Stv. Chefredakteurin The Pioneer

Redaktionelle Mitarbeit: Lorenz Lanig, Pia v. Wersebe, Friederike Jost.

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