es ist wieder Montag – und ich schreibe Ihnen diese Zeilen aus der baden-württembergischen Hauptstadt Stuttgart, wo wir heute mit unserem Celebrating Democracy-Programm auftreten.
Während der US-amerikanische Präsident Donald Trump Universitäten schikaniert und der Koalitionsausschuss der Herren Friedrich Merz und Lars Klingbeil weitestgehend ohne Frauen auskommt, wollen wir diese Woche:
über die überraschende Resozialisierung von Kuhmilch nachdenken,
eine glitzernde Ausstellung empfehlen
und auf Zeichnungen aus dem Gerichtssaal schauen.
Doch zunächst sprechen wir über die Mode-Diagnose unserer Zeit: Narzissmus.
Ich höre es in letzter Zeit ständig und überall. In der Redaktion, am Esstisch, in der Kommentarspalte bei Social Media – überall werden Narzissten entdeckt. Der Kollege? Narzisst. Die Chefin? Seit jeher narzisstisch durch und durch. Das eigentlich doch so vielversprechende Date? Klarer Befund, red flag, Narzissmus.
Was aber steckt hinter dieser Mode-Diagnose? Was bedeutet Narzissmus? Wann ist jemand „nur“ egozentrisch, wann zeigt er eine narzisstische Persönlichkeitsstörung?
Darüber spreche ich diese Woche im Achten Tag mit der Psychologin Bärbel Wardetzki. Sie erklärt uns die Verhaltensmuster von Narzissten – manchmal zerstörerisch, aber meist das Ergebnis einer emotionalen Verwahrlosung.
Narzissmus ist eine hervorragende Art, um mit Selbstwertverletzungen umzugehen.
Wir sprechen über Narzissmus in der Politik, inwiefern unsere Gegenwart narzisstisches Verhalten fördert – und weshalb das nicht nur negativ ist:
Narzissmus hat ganz viel Kraft und auch positive Seiten.
Wenn Ihnen heute mehr nach Lesen denn nach Hören ist, geht es hier zum verschriftlichten Gespräch.
Ich verspreche Ihnen: Danach verstehen Sie mehr.
Prozesszeichnungen sind ein eigenartiges Genre: halb Kunst, halb Journalismus. Sie sollen das Geschehen im Gerichtssaal dokumentieren, wo sowohl Deutschland als auch in den USA – von wenigen Ausnahmen abgesehen – weder gefilmt noch fotografiert werden darf.
Die Zeichnungen entstehen meist im Auftrag von Medienhäusern und dienen der Berichterstattung. Obwohl sie zwangsläufig aus der Handschrift und Interpretation des Zeichners hervorgehen, darf dieser das Geschehen nicht verzerren, der künstlerische Spielraum ist begrenzt.
13. Mai 2025: ein Gerichtssaal in New York. Kein Blitzlicht, keine Kamera – und doch ein Bild, das um die Welt geht: Casandra Ventura, hochschwanger, die Hand zum Eid erhoben, gegenüber das Profil von Sean Combs (P. Diddy).
Wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, entsteht eine Kunstform, die gleichermaßen dokumentiert wie interpretiert: die Prozesszeichnung. Zeichnerinnen und Zeichner fangen jene flüchtigen Momente ein, in denen Geschichte verhandelt wird – vor Gericht, im Spannungsfeld von Schuld, Macht und öffentlicher Wahrnehmung.
OJ Simpson während seines Zivilprozesses 1996 © Bill Robles, Prints and Photographs Division, Library of CongressAuch die Zeichnung von O. J. Simpson im Zivilprozess von 1996 gehört zu jenen Bildern.
Die Zeichnung zeigt ihn im Profil – regungslos, erschöpft, isoliert. Was hier dargestellt wird, ist kein gewöhnlicher Angeklagter, sondern ein nationaler Held in der Krise: der gefeierte Football-Star, Werbeikone, Schauspieler – nun reduziert auf einen Angeklagten, mit einer Haltung zwischen aufgegebener Kontrolle und innerem Rückzug.
David Berkowitz wird aus dem Gericht entfernt 1978 © Joseph Papin, Prints and Photographs Division, Library of CongressDavid Berkowitz, der sich selbst „Son of Sam“ nannte, ermordete sechs Menschen und verletzte sieben weitere in New York City. Wie wahllos, immer nachts, oftmals Paare.
Joseph Papin fing 1978 in seiner Zeichnung ein, wie David Berkowitz gegen seinen Willen aus dem Gerichtssaal entfernt wird.
Black Panthers on Trial © Howard Brodie 1970, Prints and Photographs Division, Library of CongressDie Zeichnung von Howard Brodie aus dem Jahr 1970 ist ein historisches Dokument der politischen Spannungen einer ganzen Ära. Im Mittelpunkt: Mitglieder der Black Panther Party. Die Zeichnung zeigt eine Mischung aus Würde, Wut und Widerstand: Die Haltung der Angeklagten ist aufrecht, herausfordernd, stolz. Ein Bild, das weniger die Schuldfrage als das strukturelle Ungleichgewicht sichtbar macht.
Hermann Göring, Nürnberger Prozesse, 1945 © Edward T. VebellEdward T. Vebells Zeichnung von Hermann Göring während der Nürnberger Prozesse friert einen historischen Moment ein. Göring, einst zweitmächtigster Mann im Dritten Reich, sitzt nicht da als gebrochener, reuiger Angeklagter, sondern mit auffallender Selbstkontrolle, fast arroganter Präsenz.
Manson springt Richter Older an, 1970 © Bill RoblesEin Moment purer Entgleisung: Charles Manson, der ohnehin schon den Prozess mit bizarren Aussagen und gestischer Provokation unterwanderte, überschreitet hier endgültig die Schwelle zwischen Kontrolle und Wahnsinn. Die Zeichnung von Bill Robles verzichtet auf die Gesichtskonturen des Angeklagten und dramatisiert ihn stattdessen von hinten, in raubtierhafter Sprung-Haltung.
Inmitten einer Medienwelt, die zunehmend auf Geschwindigkeit und Reproduzierbarkeit setzt, bleiben die Gerichte selten davon verschont – Stichwort Courtroom-Voyeurismus. Prozesszeichnungen sind dagegen langsame Bilder in einer schnellen Welt. Während Live-Übertragungen Unmittelbarkeit versprechen, zeigen sie oft nur die Oberfläche: Bewegungen, Gesten, Worte. Die Zeichnung hingegen ist Selektion, Interpretation, Verdichtung.
In der Zeichnung liegt die Möglichkeit, Atmosphäre sichtbar zu machen, Machtverhältnisse fühlbar und psychologische Dynamiken lesbar zu gestalten. Sie friert nicht bloß einen Moment ein, sie hält die Spannung in der Luft.
Vielleicht sind Prozesszeichnungen deshalb nicht nur ein nostalgisches Überbleibsel aus der Zeit vor der Kamera – sondern ein künstlerischer Kontrapunkt zu unserer digital dokumentierten Gegenwart.
Es ist ein wenig trashy, aber irgendwie auch glamourös. Es funkelt und flattert. Und man muss schon ein vom Leben besonders ermüdeter Zyniker sein, um nicht davon berührt zu sein, wenn es in Konfetti-Form vom Himmel herabregnet: Glitzer.
Zum ersten Mal steht Glitzer im Zentrum einer Museums-Ausstellung. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt in seiner aktuellen Ausstellung unter anderem ein glitzerndes Jugendzimmer der Hamburger Künstlerin Jenny Schäfer, Fotografien von Quil Lemons, Skateboards von Mickalene Thomas, Show-Perücken der Hamburger Designer Karl Gadzali und Mohamad Barakat-Götz für Olivia Jones und ein Bühnenoutfit von Bill Kaulitz.
Ab nächster Woche lohnt sich der Besuch besonders, denn dann wird auch die poetisch-immersive Installation „Puff Out“ des türkisch-belgischen Duos :mentalKLINIK gezeigt. 20 Staubsaugerroboter gleiten über den Boden, saugen Glitzer ein und pusten es wieder aus. So malen sie ein abstraktes, sich ständig veränderndes „Gemälde“ auf dem pink glitzernden Boden.
Mein Gefühl sagt mir, das dürfte ein Museumsbesuch werden, der auch Kinder begeistert.
… der Kuhmilch.
In europäischen Großstädten war sie weitestgehend aus dem Ernährungsplan gestrichen. Gründe gab es ja genug. Kühe werden unter zum Teil unerträglichen Umständen gehalten, damit Menschen die Milch konsumieren können, die eigentlich für die Kälber bestimmt ist. Die CO₂-Bilanz der Milch ist ebenso problematisch wie die Frage, weshalb der Mensch überhaupt (als einziges Säugetier) auch nach dem Säuglingsalter noch meint Milch trinken zu müssen. Und so richtig gut konnte das für den Körper auch nicht sein – was war nochmal mit den Wachstumshormonen und Krebs?
So hat sich in den vergangenen Jahren ein Boom um Hafer-, Mandel-, Reis-, Soja- und Kokos- und ähnliche Milchersatzprodukte entwickelt. Doch wenn es eine Wahrheit über dieses sogenannte Leben geben soll, dann ist es eben: This too shall pass.
Und so sieht, wer aufmerksam hinschaut, die Resozialisierung der Kuhmilch.
Liegt es an dem besorgniserregenden Erfolg der sogenannten Trad-Wives – jener Social Media-Figuren, deren Content darin besteht, gute, traditionelle Hausfrauen zu sein, die kochen, backen, putzen? In fast jedem zweiten Video von Ballerinafarm sieht man Hannah Neeleman aus Utah neben einer großen Kanne Milch, die sie entweder in einer Schüssel mit Eiern und Mehl zu Pfannkuchen verrührt, oder aber sich ein großes Glas Milch zum Trinken gönnt.
Es würde passen in eine Zeit, die sich wieder der Rückbesinnung zu neigen scheint. Progressive Haltungen und jene, die als solche gelesen werden, befinden sich auf dem absteigenden Ast. Gleichstellungspolitik ist bis auf weiteres pausiert, Diversitätsprogramme gestrichen, über Klima und Umwelt wird auch nicht mehr gesprochen. Überfordert von den allzu schnell aufeinander folgenden Veränderungen suchen wir nach Ruhe und Ursprünglichkeit – und finden sie formvollendet symbolisiert in Milch. Echter Milch.
Das belegen auch die Daten des Landwirtschaftsministeriums: Nachdem der Konsum von Kuhmilch in den 2010er Jahren zurückging, stagnierte er und steigt seit 2024 wieder an.
Gwyneth Paltrow beichtet, dass sie Kaffee mit Rohmilch trinkt, Beyoncé frühstückt Müsli mit Kuhmilch und die ikonische Szene zu diesem Kapitel liefert Nicole Kidman, die in Babygirl ein großes Glas Milch trinkt und zum Symbol unschuldiger Erotik wird.
Achten Sie drauf: Kuhmilch wird Ihnen wieder öfter begegnen.
Was bedeutet Führung, wenn sich die Welt, also ungefähr alles, neu sortiert? Dann braucht es Menschen, die agieren, statt nur zu reagieren – Menschen mit Lust auf Zukunft.
Am 24. und 25. September versammelt unsere MY WAY Konferenz im Berliner Westhafen genau diese – und lädt sie ein, Masterclasses zu hosten.
Lernen Sie unter anderem von …
... Achim Feige, wie man trotz einer zunehmend komplexen Arbeitswelt Klarheit und Leichtigkeit innerhalb einer Unternehmenskultur bewahrt. Außerdem: Was Sie tun können, um Ihre Höchstleistung nicht nur punktuell, sondern ausdauernd zu erreichen – und dabei nicht auszubrennen.
… Frank Dopheide, warum Kreativität keine Spielerei, sondern Überlebensstrategie ist. Außerdem: Wie Sie eingefahrene Denkmuster aufbrechen und auch ungewöhnliche Ideen kultivieren.
Wer sonst noch Impulse für unsere Welt im Wandel geben wird, das erfahren Sie auf der MY WAY Website – dort finden Sie das gesamte Programm und Tickets.
Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche ✨.
Auf sehr, sehr bald.
Ihre