Nach dreieinhalb Jahren Ampel-Regierung sind die Deutschen Streit zwischen Regierungsparteien wohl gewohnt. Doch dass sich um eine Frau gestritten wird – und dann auch noch eine Richterin –, das ist neu. Wer ist Frauke Brosius-Gersdorf, die Personalie, über die sich schwarz-rot bis zur Handlungsunfähigkeit stritt? Welche Vorwürfe werden gegen sie erhoben – und sind sie haltbar?
Wofür steht Brosius-Gersdorf: Die 54-jährige Professorin hat sich zu kontroversen politischen Themen eindeutig positioniert. Eine Auswahl:
Schwangerschaftsabbruch: Die Hauptkritik der Union an Brosius-Gersdorf bezieht sich auf ihre liberale Position zum Thema Abtreibung. Aus der Union heißt es, die Juristin sei „lebenskritisch“. Brosius-Gersdorf sagte, dass für die Geltung der Menschenwürde „erst für den Menschen ab Geburt“ „gute Gründe“ sprächen.
Kopftuchverbot: Brosius-Gersdorf hat sich klar gegen die Regelung an Schulen ausgesprochen.
Frauenquote: In einem Beitrag im Tagesspiegel aus dem Jahr 2020 wirft Brosius-Gersdorf dem Thüringer Landesverfassungsgericht ein „schwerwiegendes Abwägungsdefizit“ vor, nachdem es das dortige Paritätsgesetz verworfen hatte.
Impfpflicht: CDU-Frau Ludwig begründete ihre Kritik an Brosius-Gersdorf mit deren Eintreten für eine Impfpflicht während der Coronapandemie.
AfD-Verbot: Im vergangenen Jahr sagte Brosius-Gersdorf im TV-Talk mit Markus Lanz:
Wenn es genug Material gibt, wäre ich auch dafür, dass der Antrag auf ein Verbotsverfahren gestellt wird.
Grundgesetz: Brosius-Gersdorf plädierte dafür, den Text „gendergerecht“ umzuschreiben.
Die Vorwürfe: Plagiatsjäger haben in der Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf 23 Verdachtsstellen auf Kollusion und Quellenplagiate gefunden. Die Vorwürfe seien allerdings weder bewiesen noch durchweg logisch. Der CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch sagte, die Doktorarbeit der Juristin und die Habilitationsschrift ihres Ehemannes enthielten „fast identische Passagen“. Im Einzelnen:
Zahlreiche Text- und Argumentationsbausteine aus Hubertus Gersdorfs späterer Habilitation finden sich wörtlich oder nahezu identisch in der früher erschienenen Dissertation von Brosius-Gersdorf.
Unklar bleibt, ob sie von ihm übernahm – oder ob umgekehrt er später auf gemeinsame Vorarbeiten zurückgriff.
Hat Brosius-Gersdorf plagiiert? Der österreichische Plagiatsanalyst Stefan Weber widerspricht auf X der Darstellung, er habe Frauke Brosius-Gersdorf des Plagiats bezichtigt. Seine Software habe lediglich Textübereinstimmungen festgestellt – und zwar zwischen ihrer Dissertation von 1997 und der Habilitationsschrift ihres Ehemannes Hubertus Gersdorf. Ein wissenschaftliches Fehlverhalten sei nicht automatisch nachgewiesen.
Was davor geschah: Brosius-Gersdorf sei „eine hoch angesehene Staatsrechtslehrerin, eine hoch angesehene Juristin, die fachlich über jeden Zweifel erhaben ist“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese. Ihre berufliche Laufbahn führte sie:
1990–1995 für ein Jurastudium nach Hamburg, 1998 für ein LL.M. nach Edinburgh;
2010 für eine Habilitation zum Thema Sozialrecht nach Potsdam;
2015–2024 als Mitglied im Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen;
2021 (bis heute) als Professorin für Verwaltungsrecht an die Universität Potsdam;
2023/24 in die Regierungskommission zu reproduktiver Selbstbestimmung.