Waffenstopp an Israel

Pro: Merz hatte einen guten Grund und zwar die Ausweitung des Krieges

Nils Heisterhagen
11.08.2025
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„Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Mit dieser Haltung soll Martin Luther sich vor dem Wormser Reichstag geweigert haben, seine 95 Thesen zurückzunehmen.

Der Ausspruch gilt seitdem als Ausrede aller Überzeugungstäter, die nun mal tun müssten, was getan werden müsse.

Die mediale Debatte der vergangenen Tage um Merz und seine Aussetzung (einiger, nicht aller!) Waffenexporte an Israel trägt die Züge einer Anklage von Überzeugungstätern, dass ein Mitglied unter ihnen es nun gewagt hat, aus dem Kreis der Überzeugten herauszutreten.

Kanzler Friedrich Merz hat in ihrem Sinne den Glauben selbst verlassen. Nur so ist die Härte ihrer Kritik zu verstehen. Und mit „ihrer“ Kritik ist hier vor allem die interne Kritik aus der Union gemeint.

Doch kann es sein, dass Kanzler Friedrich Merz schlichte Sachgründe hatte, die Entscheidung zum Stopp der Waffenexporte zu treffen?

Schließlich ließ er im Interview mit den Tagesthemen zugleich keine Zweifel an seiner Freundschaft mit Israel zu. Ebendort verwies er auch auf den Generalstabschef der israelischen Armee sowie mehrere hundert ehemalige Geheimdienstbeschäftigte, die Zweifel an der Ausdehnung des Krieges auf ganz Gaza haben.

Außerdem betrifft die Staatsräson des deutschen Staates den israelischen Staat und nicht seine Regierung. Und es gibt eben jene Zweifler und Kritiker in Israel selbst, die die Ausweitung des Krieges für Israel selbst für eine schlechte Entscheidung halten. Insofern kann Merz' Entscheidung – in einem dialektischen Sinne – auch gut für Israel selbst sein.

Kann es also einfach sein, dass der Kanzler Sachgründe für seine Entscheidung hat, wie nämlich zum Beispiel genau diese Ausdehnung des Krieges auf ganz Gaza, die offensichtlich vor allem die (sehr rechte) Regierung Netanjahu will, aber die gleichzeitig heftig umstritten ist – und zwar in Israel selbst.

Im Übrigen ist auch die Meinung der deutschen Bevölkerung in der Sache sehr klar.

Im ZDF-Politbarometer Anfang Juni sagten ganze 77 Prozent der Befragten, dass man die Waffenlieferungen an Israel vorläufig aussetzen sollte. Im ARD-Deutschlandtrend (ebenfalls Anfang Juni) sprachen sich 43 Prozent für die Begrenzung der Waffenexporte nach Israel aus und 30 Prozent für einen vollständigen Stopp. Also auch über 70 Prozent. Diese Zahlen waren wohlgemerkt noch vor der Ankündigung der Ausweitung des Krieges auf ganz Gaza.

Merz hat also gut drei Viertel der Bevölkerung in der Sache hinter sich.

Zwar waren im ARD-Deutschlandtrend die Unions-Anhänger bei Waffenexporten am wenigsten entschieden. Und genau das erklärt nun durchaus die aktuelle unionsinterne Zerreißprobe. Aber der Rest der Bevölkerung ist halt auf Merz-Linie.

Die Kommunikation dieser Entscheidung durch Merz war sicher grottenschlecht: Nicht vorbereitet, nicht abgesprochen.

Da müssen sich auch die engsten Mitarbeiter von Merz, Jacob Schrot und Thorsten Frei, sowie der Kanzler selbst an die eigene Nase fassen. Sie haben offenbar im Vorfeld zu wenig mit den wichtigen Playern in der Union geredet.

Niemand wird gern überrumpelt. Ein Markus Söder schon gar nicht.

Aber wo liegt der Fehler in der Sache?

Ich sehe ihn nicht.

Contra: Merz' symbolischer Schritt mit gefährlichen Folgen

Merz riskiert durch seinen Lieferstopp, dass sich der Krieg verschärft, meint Michael Bassewitz.

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Veröffentlicht von Michael Graf von Bassewitz.

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