Union: Bürokratieabbau statt Brandmauer

Jonathan Packroff, Jan Schroeder, Magdalena Thiele
02.10.2025
© dpa
© dpa

Theoretisch steht sie noch, die viel beschworene Brandmauer. Praktisch zeigt sie deutliche Risse.

Von unten und von oben: In ostdeutschen Kommunen gibt es vermehrt gemeinsame Anträge von CDU und AfD, berichtet Report Mainz. Und auch in Brüssel bahnt sich ein neues Tête-à-Tête an.

Konkret: Es geht um ein Gesetz zum Bürokratieabbau (harmloser Name: „Omnibus Nachhaltigkeit“). Es soll die EU-Lieferkettenrichtlinie und Nachhaltigkeitsberichte eindampfen.

Doch die Verhandlungen stocken: Bereits im Juni einigten sich die EU-Staaten, aber im EU-Parlament steht noch kein Deal. Normalerweise wird dort in der politischen Mitte ein Kompromiss gesucht (genannt: „Von-der-Leyen-Mehrheit“).

Eine Infografik mit dem Titel: Wechselnde Mehrheiten

Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament nach der Europawahl 2024

Diesmal könnte es anders kommen: „Ich schließe keine Mehrheit aus, solange wir die Kosten für Unternehmen senken und die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken“, sagt der schwedische EU-Abgeordnete Jörgen Warborn. Er verhandelt für die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören.

Im Klartext: Auch mit der nationalkonservativen EKR (u. a. Meloni, PiS) und den Rechtsaußen-Fraktionen Patrioten (Orbán, Le Pen) und ESN (AfD), könnte eine Mehrheit gebildet werden, wenn es keine Einigung in der Mitte gibt.

Es wäre nicht das erste Mal: Bereits bei den Themen Grenzschutz und Entwaldung hatte es gemeinsame Mehrheiten von CDU/CSU und AfD gegeben. Neu sei, dass die EVP so offen mit einer rechten Mehrheit drohe, beschreibt ein Insider.

Lob kommt von AfD-Chefin Alice Weidel. Sie sagt zu The Pioneer:

Es ist ein sehr erfreuliches Signal, dass es vereinzelt zu einem Umdenken in der EVP kommt.

AfD-Vorsitzende Alice Weidel © Imago

Die Sozialdemokraten prangern an: Bei einer Verhandlung am Dienstag habe es „kein einziges vernünftiges Gespräch“ gegeben. „Nur Drohungen und Theater“, sagt die niederländische EU-Abgeordnete Lara Wolters.

Die EVP würde mit Rechtsextremen „flirten“ und die anderen Parteien „erpressen“, sagt die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini gegenüber The Pioneer. Weiter:

Sie spielt mit dem Feuer.

Doch die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler verteidigt das Vorgehen. Sie sagt:

Unsere Unternehmen erwarten zu Recht, dass endlich spürbare Entlastungen kommen.

Sie hoffe weiterhin, dass eine „Einigung innerhalb der Von-der-Leyen-Plattform möglich ist“, fügt Niebler hinzu.

Vor dem EU-Gipfel in Kopenhagen hatte Kanzler Friedrich Merz den Ton verschärft: Mit der Regulierung der EU könne es so nicht weitergehen, sagte er am Freitag. Und weiter:

Wir müssen dieser Maschine in Brüssel jetzt mal das Stöckchen in die Räder halten, damit das mal aufhört.

Bundeskanzler Friedrich Merz  © dpa

Beim Koalitionspartner stieß das auf Unbehagen.

Fazit: Wäre die Brandmauer ein Haus, der Dachstuhl wäre undicht, der Keller feucht. Renovieren oder abreißen? Dieser Frage sollte sich die Union stellen, bevor ihr keine Wahl mehr bleibt.

Empfehlen Sie uns weiter

Sie können diesen Beitrag mit einem Klick auf die entsprechende Schaltfläche teilen.