Beamtenstaat a.D.

Eine „echte Staatsreform“ verspricht die schwarz-rote Koalition in ihrem Koalitionsvertrag. Doch außer einem Einsparungsziel unter Staatsdienern im Bund bleibt die Vereinbarung vage. Wie der Beamtenapparat das Land lahmlegt, was er kostet und wie eine „echte Staatsreform“ aussehen könnte.
Michael Graf von Bassewitz, Jonathan Packroff
26.04.2025

Lebenslange Jobgarantie, gute Work-Life-Balance und anständiges Geld – auch noch im Ruhestand: Das Klischee des typischen Beamtenlebens überzeugt.

1,76 Millionen Beamte gibt es in Deutschland. Ihnen stehen gut 3,34 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst gegenüber – eine Zweiklassengesellschaft in der Verwaltung. Hinzu kommen 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten, diese haben zwar einen Sonderstatus, aber sind beamtenähnlich.

Auch faktisch überzeugen die Vorzüge der Beamten:

  • Besoldung statt Gehalt: Mit einem Median-Jahresbruttoeinkommen von 79.900 Euro stehen Beamte finanziell weit über den Angestellten mit 58.400 Euro und Selbstständigen, die jährlich 51.300 Euro brutto verdienen. Das geht aus einer Umfrage der Bundesbank hervor.

  • Netto bleibt den Beamten zusätzlich deutlich mehr, da sie nicht in die Sozialkassen zahlen müssen. Aufs Konto bekommen sie ihr Geld sogar schon zu Monatsbeginn.

  • Beamte sind praktisch unkündbar. Eine Entlassung ist nur bei schweren Disziplinarvergehen möglich.

  • Versorgung im Alter: Statt einer gesetzlichen Rente erhalten Beamte eine staatliche Pension, die deutlich höher ausfällt als Rentenzahlungen – 71,75 Prozent des letzten Bruttogehalts bekommen Beamte nach 40 Dienstjahren.

  • Zum Vergleich: Rentner, die 45 Jahre gearbeitet haben, bekommen heute eine Rente in Höhe von 48 Prozent des aktuellen Durchschnittsgehalts – also deutlich weniger. Beamte müssen zudem auch nicht in eine Renten- bzw. Pensionskasse einzahlen.

  • Keine Gesetzliche Krankenversicherung: Der Staat übernimmt einen Großteil der Krankheitskosten (meist 50 bis 70 Prozent) – den Rest decken Beamte meist mit einer privaten Krankenversicherung ab.

Für denselben Job bleibt dem Beamten inklusive seiner Pensionsansprüche oft mehr. Die Ökonomen Tobias Benz, Christian Hagist und Bernd Raffelhüschen berechneten dies am Beispiel eines fiktiven, unverheirateten und kinderlosen Lehrers in Baden-Württemberg.

Ein Lehrer, der im Jahr 2011 im Alter von 30 in dem Bundesland seinen Dienst antrat, hat je nach Angestelltenverhältnis eine völlig unterschiedliche Gehaltsentwicklung.

Eine Infografik mit dem Titel: Kosten eines Gymnasiallehrers in Baden-Württemberg

30 Jahre bei Dienstantritt, single, kinderlos; nach Dienstverhältnis

Die Grafik zeigt: Selbst wenn Beamte über die Arbeitsjahre weniger verdienen als ihre angestellten Lehrerkollegen, zeigt sich der Vorteil vor allem ab dem eintretenden Ruhestand.

Die Landesbeamten erhalten hohe Pensionszahlungen, während die angestellten Lehrer jetzt von der gesetzlichen Rente leben müssen – die liegt derzeit im Durchschnitt bei 1.100 Euro pro Monat.

Eine „echte Staatsreform“ verspricht die schwarz-rote Koalition in ihrem Koalitionsvertrag. Doch außer einem Einsparungsziel unter Staatsdienern im Bund bleibt die Vereinbarung vage. Die genauen Vorschläge sollen erst noch ausgearbeitet werden. An den Beamtenstatus traut sich die Koalition bisher nicht heran.

Bereits seit Jahrhunderten sind Beamte Teil des deutschen Staatswesens. Doch genau hier müsse die neue Regierung ansetzen, fordert Steuerzahler-Präsident Reiner Holznagel.

Denn:

Die öffentlichen Haushalte werden durch die XXL-Beamtenverhältnisse enorm belastet.

Eines der wenigen konkreten Ziele von Schwarz-Rot bezieht sich auf die Bundesbehörden. 950 davon gibt es mittlerweile – eine Zahl, die selbst CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schockierte, wie er im Gespräch mit The Pioneer sagte:

Ich darf das gar nicht laut sagen. Ich wusste gar nicht, dass wir 950 Bundesbehörden haben. Ich bin fast umgekippt, als ich das gehört habe.

Carsten Linnemann auf der Pioneer Two © Anne Hufnagl

Um acht Prozent soll die Zahl der Beschäftigten in den Bundesbehörden reduziert werden. Zudem will die Koalition die Zahl der Behörden durch Zusammenlegungen und den „Abbau von Redundanzen“ verringern.

Doch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes findet der Koalitionsvertrag sonst nur lobende Worte. „Stabilitätsanker des deutschen Staates“ seien die etwa 5,3 Millionen Staatsdiener.

Die Bundesbehörden bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs: Nur zehn Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind hier angestellt – gut eine halbe Million Menschen.

Die Hälfte der Staatsbediensteten arbeitet bei den Ländern (2,6 Millionen) und ein Drittel bei den Kommunen (1,7 Millionen). Hinzu kommen knapp 400.000 Beschäftigte bei den Sozialversicherungen. Für sie gilt das Ziel der Reduktion nicht.

Echte Staatsreform? Will man dieses Ziel wirklich erreichen, müsste man viel größer denken, fordert Holznagel. Er sagt zu The Pioneer:

„Deshalb sollte der Beamtenstatus auf den Prüfstand gestellt und in seinem Umfang samt seiner Privilegien kritisch hinterfragt werden – die können ja keinem Beschäftigten in der freien Wirtschaft mehr erklärt werden, weil die finanzielle Schere immer weiter auseinander geht.“

Die Schere: Damit meint Holznagel vor allem folgendes Phänomen: Für Angestellte führt jede Gehaltserhöhung auch zu höheren Sozialabgaben – zumindest, bis sie die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze erreichen. Bei Beamten ist dies nicht der Fall. Ihnen bleibt mehr Netto vom Brutto.

Gleichzeitig wird der Sonderstatus der Beamten für die Steuerzahler immer mehr zur Belastung.

Auf die 1,93 Millionen aktiven Beamten und Soldaten kommen zurzeit 1,4 Millionen im Ruhestand. Hinzu kommen 380.000 Hinterbliebene, für die der Staat ebenfalls aufkommt.

Eine Infografik mit dem Titel: Große Beamtenwelle rutscht in die Pension

Altersverteilung von Beamten und Versorgungsempfängern

Die Kosten für den Staat allein für Pensionäre und Hinterbliebene belaufen sich auf 63,4 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ist mehr als der reguläre Militärhaushalt des Bundes.

Tendenz: steigend. Besonders die Länderhaushalte sehen sich mit wachsenden Budgets für die Beamtenversorgung konfrontiert.

Eine Infografik mit dem Titel: Beamte belasten zunehmend Haushalte der Länder und Gemeinden

Entwicklung der Ausgaben für die Beamtenversorgung

In einem Papier für das ifo Institut warnen der Wirtschaftsweise Martin Werding und Kollegen:

Der finanzielle Spielraum der öffentlichen Haushalte wird dadurch für viele Jahrzehnte eingeengt.

Und weiter:

Martin Werding © imago

​​Die jüngste Verbeamtungswelle wird dazu führen, dass die Versorgungslasten auch in der ferneren Zukunft hoch bleiben werden. Sie müssen von einer abnehmenden Anzahl an Erwerbstätigen getragen werden.

Zwar haben Bund und Länder durchaus Vorsorge getroffen. So hat der Bund seit 1998 die Pflicht, Rücklagen für die Beamtenversorgung im Alter zu bilden. Doch in den Ländern gilt dies nicht konsequent.

So kommt es zu einem massiven Ungleichgewicht. Ausgaben von über 60 Milliarden Euro pro Jahr stehen Rücklagen von insgesamt nur 77 Milliarden Euro für alle pensionierten Beamten gegenüber. „Unzureichend“, nennen das die Forscher trocken.

Neben dem Gerechtigkeitsproblem geht es deshalb vor allem um ein Transparenzproblem. Durch Beamte fallen dem Staat Kosten für Jahrzehnte an, doch wie viel, bleibt in den Haushalten zunächst unberücksichtigt. Indirekte Verschuldung, so nennen es Experten.

Kurzfristig kann mehr Verbeamtung die Staatskassen sogar entlasten. Denn: Wie das Beispiel des Lehrers aus Baden-Württemberg zeigt, sind die Kosten für Beamte im Vergleich zu Angestellten desselben Berufs zunächst oft geringer – dank weniger Sozialabgaben.

Doch die Zeche zahlen die Steuerzahler später. Und angesichts der demografischen Lage heißt dies: Jetzt. Denn die Welle der Pensionen läuft.

Wie es dazu kam…

Zu Beginn war das Beamtentum eine fortschrittliche Idee – sie sollte den vielfach korrupten Landadel ablösen.

Erst formalisierte der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. die Ausbildung. Er gilt als „Vater des Berufsbeamtentums“. Sein aufgeklärt-absolutistischer Sohn Friedrich der Große war es dann, der das Gemeinwohl zum Primärziel erhob und sich selbst als ersten Diener des Staates sah. Er führte den Ausbau des Berufsbeamtentums fort.

Friedrich der Große 1712-1786. Dritter König von Preußen 1740-1786. Aus dem Buch Gallery of Portraits, 1833. © Imago

Eine kleine Revolutionstruppe des Monarchen: Damit ersetzen Beamte den Landadel. Zu diesem Zwecke kämpften sie gegen die geburtsständischen Vorrechte des Dienstadels, bei dem etwa der Titel die Qualifikation ersetzen sollte.

An die Stelle des aristokratischen Erbprinzips setzten die Beamten das bürgerliche Leistungsprinzip.

Ab dem Jahr 1794 wurden die Beamten dann erstmals auch in juristischer Form als „Diener des Staates“ im „Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten“ formal festgehalten.

Die übrigen deutschen Länder folgten dieser Entwicklung. Etwa das Großherzogtum Baden gab im Jahr 1818 in seiner neuen Verfassung ein „Dieneredikt“ an, das die Unwiderruflichkeit der Anstellung aussprach und eine Entlassung wegen Dienstvergehens nur nach richterlicher Bestätigung ermöglichte.

Olaf Baale, Experte des Beamtenapparats und Autor des Buchs „Die Verwaltungsarmee“, sagt uns:

„Die Idee des preußischen Königs war es, gut ausgebildete und loyale Staatsdiener zu haben. Dafür musste er ihnen natürlich etwas bieten: Sie erhielten ihr Geld zu Beginn des Monats und wurden für ihr ganzes Leben alimentiert – ein ‚Bonbon‘, um ihre Loyalität gegenüber dem König zu sichern.“

Ein Prinzip, das sich bis heute hält, sagt der Ökonom Gunther Schnabl. Als Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig ist auch er Beamter. Ein Hauptziel des Staates sei es, weitere Fürsprecher in der Öffentlichkeit zu bekommen. Er sagt uns:

Der Staat privilegiert die Beamten, um sie eng an sich zu binden: In Klassenzimmern, in Hörsälen, im Gerichtssaal und auf Streife sollen die Beamten dem Staat gegenüber loyal sein – bezahlt von den Bürgern.

Der Beamtenbund sieht die Privilegiertheit nicht. Er sagt uns, die Vorzüge, die Beamte genießen, seien keine Privilegien, „sondern Teil des besonderen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Dienstherrn. Besonderen Rechten stehen immer besondere Pflichten gegenüber“.

Zu den Pflichten zählt etwa die Amtsverschwiegenheit, die auch noch über die Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses hinausgeht oder auch die unparteiische Amtsführung. Demnach müssen Beamte sich in ihren Aufgaben parteipolitisch neutral verhalten.

Der Beamtenkritiker Baale argumentiert hingegen: Es gebe gar keine Berechtigung für das Beamtentum in einem demokratischen Staat. Er sagt: „Wir wollen keine Staatsdiener an der kurzen Leine.“

Beamtentum auf den Prüfstand: Wie es gehen könnte

Bisher beschränkt sich die Diskussion vor allem auf die Pensionen. Bei der gesetzlichen Rente müsse man darüber reden, den Kreis der Einzahler zu erweitern, fordern SPD-Politiker wie Generalsekretär Matthias Miersch immer wieder – und meinen damit auch Beamte.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch bei The Pioneer © Anne Hufnagl

Doch ausgerechnet bei diesem Punkt raten Experten zur Vorsicht – und warnen vor blindem Aktionismus.

Aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche von Beamten wäre kurzfristig „außer mehr Bürokratie nichts gewonnen“, wenn Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden müssten, argumentiert etwa die Stiftung Marktwirtschaft.

Und langfristig würde der größeren Zahl an Einzahlern dann ja auch eine höhere Zahl an Rentenbeziehern folgen. Im schlimmsten Fall wäre das sogar kontraproduktiv. Denn: Beamte leben im Schnitt länger als der Rest der Bevölkerung.

Auch der Beamtenbund warnt, eine Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung hätte zur Folge, dass die Dienstherren den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung zusätzlich zu tragen hätten und somit zugleich die Bruttobezüge der Beamten angehoben werden müssten. Weiter sagt der Beamtenbund:

Somit wäre eine Systemumstellung insgesamt mit enormen Kosten verbunden.

Das Dienst- und Treueverhältnis der Beamten ließe sich aber auch zunutze machen – um ihnen mehr Arbeit abzuverlangen.

Der Jurist Stefan Altenschmidt forderte etwa, Beamte in Planungsbehörden zur Samstagsarbeit zu verpflichten. 45 Arbeitsstunden pro Woche seien nötig, um den Genehmigungsstau abzubauen und die gigantischen Geldsummen, mit denen die neue Bundesregierung die Infrastruktur sanieren will, auf die Straße zu bringen.

Im Gastbeitrag bei The Pioneer schrieb Altenschmidt:

Für Beamte ist das juristisch leicht durch Änderungen der Arbeitszeitverordnungen möglich.

Denkbar wäre sogar, Beamte aus dem Ruhestand wieder zur Arbeit zu verpflichten. Denn dank des lebenslangen Dienst- und Treueverhältnisses wäre eine solche Verpflichtung – anders als bei Rentnern – jederzeit möglich.

Altenschmidt:

Politik sollte den Mut haben, sich den damit einhergehenden Konflikten zu stellen. Was es braucht, ist ein Kulturwandel: weg vom Feierabend in Behörden Freitags um 13 Uhr, hin auch zu Samstagsarbeit.

Also zurück an den Schreibtisch? Ob ein solches Vorgehen die Motivation bei Beamten hebt, darf bezweifelt werden.

Die Schweiz ging auch deshalb einen radikaleren Schritt. Im November 2000 wurde das Volk zur Abschaffung des Beamtentums befragt.

Eine Mehrheit der Schweizer stimmte damals für das Bundespersonalgesetz. Es löste das Beamtengesetz aus dem Jahr 1927 ab und machte mehr als 100.000 Beschäftigte von Bundesverwaltung, Post und Bahn von Beamten zu Angestellten – nur noch Richter, Staatsanwälte und Polizisten sind seitdem verbeamtet.

Die Reform ging ohne große Kritik über die Bühne, auch weil der Kündigungsschutz für die ehemaligen Beamten ausgebaut wurde. Und anders als in Deutschland waren Schweizer Beamte sowieso nicht auf Lebenszeit dem Staat verpflichtet, sondern lediglich für jeweils vier Jahre gewählt. Auch zahlten sie in die allgemeine Rentenkasse ein.

Die meisten Experten fordern auch in Deutschland den Mut, weniger Menschen überhaupt erst in den Status des Beamten zu erheben.

So sieht es etwa Holznagel. Er sagt:

Konkret sollte die Zahl der neuen Verbeamtungen auf ein Minimum und ausschließlich auf die hoheitlichen Kernbereiche beschränkt werden – bei der Polizei, in der Finanzverwaltung und in der Justiz.

Reiner Holznagel, Präsident des Vereins „Bund der Steuerzahler Deutschland“ © dpa

Derartige Funktionen gelten in jedem Fall als hoheitliche Aufgaben. Und: Hoheitliche Aufgaben haben Verfassungsrang, sie sind deshalb von oberster Stelle geschützt. Die Rechtsverhältnisse der Bundesbeamten regelt der Bund, diejenigen der Landesbeamten die Länder, sagt uns der Sozialrechtler Prof. Felix Welti.

Aber könnte man nicht sogar komplett auf Beamte verzichten? Möglich ist alles. Wenn man das Beamtentum auch für hoheitliche Aufgaben aussetzen würde, müsste man dafür die Verfassung ändern. So weit geht Holznagel nicht.

Die meisten neuen Verbeamtungen könnten künftig auch ohne Verfassungsänderung wegfallen. Treffen würde es vor allem Lehrer. Denn: Gut ein Drittel der heutigen Beamten sind im Schuldienst.

Eine Infografik mit dem Titel: Großteil der Beamten ist Lehrer

Beamte nach Aufgabenbereich

Versuche, Lehrer nicht mehr zu verbeamten, gab es bereits. In Berlin waren die Verbeamtungen von 2004 bis 2022 ausgesetzt. Grund waren in den frühen Nullerjahren die besonderen Sparzwänge Berlins, die den damaligen SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo Sarrazin zu dem Schritt bewogen.

Wowereit, so berichtete die Berliner Zeitung, blieb während seiner ganzen Amtszeit ein „erbitterter Feind der Lehrerverbeamtung“. Ihn störe vor allem die Tatsache, dass verbeamtete Lehrer zwei Jahre lang bei vollen Bezügen krank zu Hause bleiben konnten.

In der DDR wurden Lehrer ohnehin nicht verbeamtet. Erst nach und nach führten die Ostländer nach der Wende die Verbeamtung ein – zuletzt 2014 in Mecklenburg-Vorpommern und 2019 in Sachsen.

Christian Piwarz, damaliger Kultusminister Sachsens, zog drei Jahre später Bilanz:

Mit der Verbeamtung sind wir wettbewerbsfähig auf dem heiß umkämpften Lehrerarbeitsmarkt in Deutschland.

Er warnte:

Ohne die Verbeamtung entsteht ein Lehrerdelta, was wir nicht anders ausgleichen können. Das hätte fatale Folgen für die Bildungsqualität in Sachsen.

Denn die angehenden Lehrer stimmten mit den Füßen ab, so die Befürchtung. In Berlin entstand in den Zehnerjahren ein massiver Lehrermangel, der nicht mal mehr mit Quereinsteigern gedeckt werden konnte.

Von einer „ungünstigen Sonderrolle“ sprach die Lehrergewerkschaft GEW. Nach Wowereits Weggang 2014 gab die SPD nach – und forderte 2019 die Wiedereinführung. Seit 2022 wird wieder verbeamtet, doch der Lehrermangel blieb.

Um die Befürchtungen der Landespolitiker zu umgehen, müsste der Beamtenstatus überall fallen. Doch würde so der Lehrerberuf noch unattraktiver – ausgerechnet in Zeiten des Lehrermangels?

Einer, der es nicht so sieht, ist Peter Maaß. Der ehemalige Vorsitzende der Jusos Berlin ist heute selbst verbeamteter Lehrer. Doch im Kampf gegen den Lehrermangel hält er den Beamtenstatus für zweitrangig und setzte sich lange gegen die Wiedereinführung in Berlin ein.

Er sagt uns:

Ich wäre sicherlich auch weiter in dem Beruf tätig, wenn ich mich nicht hätte verbeamten lassen können.

Er sieht sich nicht als Einzelfall. Viele seiner Kollegen schätzten Flexibilität, die der Beamtenstatus eben nicht biete – etwa, sich später nochmal beruflich umorientieren zu können. „Die wenigsten Lehrer entscheiden sich dafür, Lehrer zu werden, um Beamte zu werden. Sie wollen tun, wofür sie brennen.“ Für einige sei die Verbeamtung sogar eher abschreckend.

Peter Maaß © Imago

Für die Attraktivität wären andere Faktoren viel entscheidender, etwa die überbordende Bürokratie, die Lehrer von ihrer eigentlichen Tätigkeit abhält. Er ist überzeugt: Würde man diese Probleme angehen, könnte man auch ohne Verbeamtung genug Menschen für den Lehrerberuf begeistern.

Zudem stellt auch Prof. Schnabl die Grundsatzfrage: „Wer nur Professor oder Lehrer wird, um den Beamtenstatus zu erhalten, ist vielleicht auch nicht der Richtige für den Job.“

Damit zielt er auch auf das Allheiligtum des Beamtentums – die lebenslange Unkündbarkeit. Schnabl:

Wer unkündbar ist, dem fehlt der Anreiz, gut und hart zu arbeiten, weil er sich nicht mehr beweisen muss. Die Motivation kann abnehmen.

Noch grundsätzlicher wird Beamten-Kritiker Baale: Er fragt, welchen Sinn es habe, in einer Zeit voller Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz Jobgarantien über mehrere Jahrzehnte zu geben. Denn:

Wir wissen nicht einmal, welche Jobs durch die Digitalisierung im nächsten Jahr benötigt werden, wie kann der Staat dann ernsthaft Personen über die nächsten 40 Jahre an sich binden?

Fazit: Mit Traditionen brechen – das ist das Wesen einer Reform. Wer eine echte Staatsreform ankündigt, darf nicht nur an der Oberfläche kratzen. Das Berufsbeamtentum gehört mindestens auf den Prüfstand.

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