ARD/ZDF: Alles auf null

Teilen
Merken

Guten Morgen,

der Mann des Tages ist Reiner Haseloff, ein Physiker, ein ostdeutscher Landsmann, der für Westdeutsche schwer zu lesen ist. Wenn er einem West-Journalisten begegne, so formulierte er jüngst, habe er das Gefühl, “so richtig verstehen werden die uns nie.“ Das klang trotzig und auch ein bisschen stolz. Der Ossi - das undurchschaute Wesen.

Nach neun Jahren als Ministerpräsident hat es Haseloff mit dem gestrigen Tag vom sachsen-anhaltischen Volkstheater auf die Staatsbühne der Berliner Republik geschafft. Man horchte auf, als dieser friedfertige, leise und zuweilen mit versteckter Ironie arbeitende Mann zum Prolog seinen Innenminister und Rivalen Holger Stahlknecht feuerte und dann - zum Grande Finale - den Rundfunkstaatsvertrag platzen ließ. Die A-Prominenz der Ministerpräsidenten, darunter Markus Söder und Armin Laschet, hatte bereits zugestimmt, als der Ritter der tapferen Gestalt das 8-Milliarden-Imperium von ARD und ZDF zum Zittern brachte. Aufgrund der verlangten Einstimmigkeit der Länder kann und wird der Staatsvertrag, der in seinem Innersten der neuerlichen Geldbeschaffung von 400 Millionen Euro dient, nicht in Kraft treten.

Eine Infografik mit dem Titel: Gutes Geschäft

Rundfunkbeitrag (vom Volksmund weiterhin GEZ-Gebühr genannt) im Vergleich zum Umsatz wichtiger Medienunternehmen 2019, in Milliarden Euro

Die Reaktionen aus Politik und Medien fielen entsprechend wütend aus. Vielerorts ist man auf das Wohlwollen der Senderfürsten angewiesen oder glaubt zumindest, es zu sein. Die Politiker benötigen in der Aufstiegsphase ihrer Karriere erst die Wahrnehmung und später im Amte die wohlwollende Begleitung der öffentlich-rechtlichen Sender. Die medialen Hilfstruppen heulen mit dem Leitwolf.

So entsteht über die Jahre ein dicht gewebtes Netzwerk der Freunde und Förderer von ARD und ZDF, das sich in der Stunde der Not in ein Wutkartell verwandeln kann. Wenn Reiner Haseloff heute Morgen in die Zeitung schaut, wird er nicht nur erfreut sein:

In der „FAZ“ kritisiert Michael Hanfeld das Verhalten von Reiner Haseloff mit folgenden Worten:

Haseloffs Volte kann man nicht einmal einen Pyrrhussieg nennen. (...) Den Eiertanz, den die CDU in Sachsen-Anhalt aufführt für Politik jenseits der Kenia-Koalitionsrettung zu halten, ist jedenfalls unmöglich.

Reiner Haseloff © dpa

Auf der Homepage der Tagesschau kommentiert Luca Deutschländer vom MDR:

Haseloffs Autorität hat gehörige Kratzer bekommen. (...) Vor allem bundesweit bedeutet der scheinbar letzte Ausweg vor einem Scheitern der Koalition eine herbe Schlappe für den Ministerpräsidenten.

Im „Tagesspiegel“ schreibt Robert Birnbaum:

Dass Reiner Haseloff sich in der Gebührenkrise in Sachsen-Anhalt nur mit einem politischen Buchhaltertrick zu helfen wusste, zeigt nur noch einmal, wie tief der Morast in Magdeburg ist.

Fazit: Der Mann aus Magdeburg sollte sich nicht grämen. Unverhofft - und das ist sein Werk - ist die bundesdeutsche Medienlandschaft in Bewegung geraten. ARD und ZDF - die nun vor dem Bundesverfassungsgericht auf „bedarfsgerechte Finanzierung“ klagen wollen - sind begründungspflichtig geworden. Das muss für die Reformer innerhalb der Anstalten kein Nachteil sein.

Seit Anfang November gelten wieder zahlreiche Beschränkungen im Kampf gegen Corona. Doch die erhoffte Entspannung der Lage durch den „Lockdown light“ bleibt bisher aus. Erste Länder greifen nun stärker durch. Die Lage am heutigen Morgen:

  • Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet einen traurigen Höhepunkt: Mit 590 Toten innerhalb von 24 Stunden sind so viele Menschen wie noch nie seit Beginn der Pandemie mit oder an Covid-19 gestorben. Die Gesamtzahl der Toten beträgt 19.932.

  • Die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina pocht auf eine drastische Verschärfung der Corona-Beschränkungen bereits ab kommender Woche. Die Feiertage und der Jahreswechsel sollten für einen „harten Lockdown“ genutzt werden. In einem ersten Schritt sollte die Schulpflicht vom kommenden Montag (14. Dezember) bis zu den regulären Weihnachtsferien aufgehoben werden.

  • Auch der Virologe Christian Drosten spricht sich für eine rasche Verschärfung der Maßnahmen aus:

Es ist schon so, dass wir jetzt unbedingt etwas tun müssen.

Christian Drosten © dpa
  • Sachsen wartet nicht länger und fährt das öffentliche Leben weiter herunter. Der bisher geltende Teil-Lockdown wird ab kommenden Montag verschärft. Schulen, Kitas, Horte und viele Geschäfte sollen geschlossen werden. Geöffnet bleiben sollen Lebensmittelgeschäfte und Geschäfte für den Grundbedarf.

  • Die Bundesregierung unterdessen will nach massiver Kritik aus der Wirtschaft bei den Novemberhilfen für Firmen im Teil-Lockdown nachlegen. Abschlagszahlungen sollen erhöht werden – also erste Gelder, die an Betroffene fließen. Unternehmen werden statt bisher maximal 10.000 Euro künftig maximal 50.000 Euro bekommen.

 © dpa

Mit einem Piekser in die linke Schulter hat Margaret Keenan Geschichte geschrieben. Die 90-Jährige aus Coventry war die erste, die gestern in Großbritannien eine Corona-Impfung erhielt. Es war der Auftakt einer Massenimpfung – nach Regierungsangaben die größte in der britischen Geschichte. Gesundheitsminister Matt Hancock spricht bereits vom „V-Day“ - V für „Vaccination“ („Impfung“), aber auch V für „Victory“, also „Sieg“.

Die Corona-Pandemie schlägt auf unser Gemüt. Doch es gibt Möglichkeiten, unsere psychische Widerstandskraft in der Krise zu stärken. Welche das sind und wie einfach sich solche Routinen in den Alltag integrieren lassen, erläutert der Stimmungsforscher Helmut Fuchs im Gespräch mit meiner Kollegin Alev Doğan im Podcast „Der 8. Tag“.

Die wenigsten Menschen sind in der Lage, wirklich aktiv die eigene Stimmung zu steuern.

Das muss nicht sein, meint Fuchs.

Es gibt Möglichkeiten, wie man sich ganz gezielt vor Gefühlsterroristen schützen kann.

Prädikat: stimulierend.

Das rot-grüne Lager hadert mit den unbemannten Tötungsmaschinen des 21. Jahrhunderts. Die bewaffneten Drohnen stoßen auf Widerstand in der friedensbewegten SPD und bei der Basis der Grünen. Deren Vorsitzende Annalena Baerbock hat eine differenzierte Agenda, sie will ihre Partei auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik weltpolitikfähig machen. Dazu gehören höhere Verteidigungsausgaben, eine europäische militärische Zusammenarbeit, und wenn es sein muss auch Drohnen. Meine Kollegen vom Hauptstadt-Team haben 21 Jahre nach dem umstrittenen Werben der Grünen für den Kriegseinsatz im Kosovo eine neue außenpolitische Debatte bei der möglichen Regierungspartei beobachtet - und eine Chance zur Profilierung der SPD.

Innenminister Horst Seehofer will das Alltagsverhalten der Polizisten in Deutschland von der Hochschule der Polizei untersuchen lassen - es geht um die Motive für die Berufswahl, die Gewalt gegen Uniformierte, aber eben auch um möglichen latenten Rassismus in Teilen des Staatsapparats.

Mehr lesen Sie in unserem Newsletter aus der Hauptstadt: unter thepioneer.de/hauptstadt.

Frauenförderung ist für Firmen eines der bestimmenden Themen. Es gibt viele Erklärungen und Versuche, aber so richtig viele Frauen sind auf der Chefetage bisher nicht angekommen. Warum ist das so? Was muss getan werden? Von den Männern, von den Firmen, womöglich auch von den Frauen selbst? Darüber spreche ich im Morning Briefing Podcast mit drei Frauen, die jede an ihrem Platz für dieses Thema brennen.

Sabrina Kreitz ist Recruiting-Expertin für Start-Ups. Zuletzt war sie tätig für nushu, ein Karrierenetzwerk für Frauen.

 © Sabrina Kreitz

Sabrina Schewtschenko arbeitet bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PricewaterhouseCoopers. Sie hat soeben das Buch „Die neue Generation an Leadership Frauen“ vorgelegt.

 © Sabrina Schewtschenko

Jutta Rubach ist die dritte im Bundes. Sie ist Gründerin und Inhaberin einer Kommunikationsberatung und arbeitet auch als Coach für Führungskräfte.

 © Jutta Rubach

Alle drei beschreiben aus ihrer Sicht effiziente Wege, wie die Wirtschaftswelt, wie oft noch immer eine Männerwelt ist, zu einer echten Partnerschaft der Geschlechter finden kann. Eine muntere Nachhilfestunde für uns alle!

 © dpa

Der Fall Wirecard erreicht die Deutsche Bank: Der dortige Accounting-Chef, Andreas Loetscher, muss sein Amt wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe in dem Fall ruhen lassen. Seine Aufgaben als Leiter des internen Finanzberichtwesens von Deutschlands größtem Geldhaus wird Brigitte Bomm übernehmen, die bisher die Steuerabteilung leitet. Die Bank bestätigte in der Nacht eine Exklusiv-Meldung der „Financial Times“.

Der Rücktritt Loetschers war unvermeidlich, nachdem die Staatsanwaltschaft München gegen ihn Ermittlungen aufgenommen hat. Wichtig: Es geht nicht um seine Arbeit bei der Deutschen Bank, sondern bei seinem Ex-Arbeitgeber, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Dort war Loetscher bis Mai 2018 für die Prüfung der Bilanzen von Wirecard verantwortlich. Er war der Mann, der nichts sah, nichts spürte und nichts meldete.

Die Rekordjagd beim US-Elektroautobauer Tesla geht weiter: Am Montag erreichte die Aktie mit knapp 649 Dollar ein neues Allzeithoch. Damit hat sich der Kurs allein im laufenden Jahr fast verachtfacht und der Börsenwert überschritt erstmals die 600-Milliarden-Dollar-Marke.

 © dpa

Tesla-Chef Elon Musk weiß, wie er den erneuten Höhenflug für sein Unternehmen nutzen kann: Er kündigte eine Kapitalerhöhung im Volumen von fünf Milliarden Dollar an. Mit dem frischen Kapital will Tesla seinen Schuldenstand verringern und neue Fahrzeugmodelle auf den Markt bringen. Es ist bereits die zweite Kapitalerhöhung innerhalb von drei Monaten und die dritte in diesem Jahr.

Eine Infografik mit dem Titel: Tesla-Aktie rast weiter

Kursentwicklung der Tesla-Aktie seit dem 09.12.2019, in US-Dollar

Die Börse vertraut ihm: Die Aktie stieg nach anfänglichen Verlusten um mehr als ein Prozent.

 © dpa

Der Apartment-Vermittler Airbnb will seine Aktien beim geplanten Start an der Tech-Börse Nasdaq am Donnerstag noch teurer losschlagen als bisher gedacht. Vor wenigen Tagen war auf Unternehmensseite von 44 bis 50 US-Dollar die Rede. Jetzt hebt Airbnb die Preisspanne auf 56 bis 60 Dollar an. Damit könnte das Unternehmen insgesamt mit etwa 42 Milliarden Dollar bewertet werden.

An den Finanzmärkten war der Börsengang lange als spektakulärste US-Premiere 2020 gehandelt worden. Dann kam die Corona-Krise und mit ihr eine große Ungewissheit. Inzwischen hat sich das Geschäft wieder erholt:

Eine Infografik mit dem Titel: Reisen 2020: Angst im Gepäck

Gebuchte Airbnb-Übernachtungen weltweit 2020, in Millionen

Zuletzt konnte Airbnb sogar ein seltenes Quartal mit schwarzen Zahlen vorweisen. Im vergangenen Vierteljahr verdiente das Unternehmen 219 Millionen Dollar. In den neun Monaten bis Ende September fielen jedoch Verluste von knapp 916 Millionen Dollar an. Doch die Investoren dürften diese Zahlen nicht schrecken. Sie wetten im Grunde gegen die klassischen Hotelketten.

 © dpa

Apple steigt ins boomende Kopfhörer-Geschäft ein. Der iPhone-Konzern will dabei an den Erfolg seiner AirPods-Ohrstöpsel anknüpfen. Diese sind zu einem lukrativen Geschäft geworden und halfen im Jahr 2020, eine zwischenzeitliche Delle bei iPhone-Verkäufen auszugleichen und Kunden zu binden.

Eine Infografik mit dem Titel: Wertvolle Wearables

Umsatz von Apple nach Produktgruppe vom 1. bis zum 4. Geschäftsquartal 2020, in Milliarden US-Dollar

Die neuen Over-Ear-Kopfhörer tragen den Namen AirPods Max und werden mit Modellen von Hifi-Spezialisten wie Bose, Bang & Olufsen, B&W oder konkurrieren. Sie passen zum Zeitgeist des 21. Jahrhunderts, der der Kulturtechnik des Hörens wieder jene Bedeutung einräumt, die sie vor Erfindung der Buchdruckerkunst besaß. Ein neues Zwischendurch- und Nebenbei-Medium ist entstanden, das insbesondere die sogenannte Drive-Time zur weiteren Mediennutzung erschließt. Davon profitieren vor allem Musik, Hörbücher oder Podcasts, die zu ständigen Begleitern im Alltag von Millionen Menschen geworden sind. Hören ist das neue Lesen.

Ich wünsche Ihnen einen frohgemuten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing